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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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berühmt war. Dort waren
der Sage nach die Söhne von Mil zum ersten Mal der Göttin Eriu begegnet. Und
viertens, im Osten, lagen die reichen Weiden und Felder der Lagin–Stämme. Diese
Provinzen waren seit unvordenklichen Zeiten anerkannt, und als Ulster,
Connacht, Munster und Leinster sollten sie auch für alle künftigen Zeiten ihre
Bedeutung behalten.
    Aber
das Leben auf der Insel kannte keinen Stillstand. Gerade erst hatte es unter
den alten Stämmen bedeutende Veränderungen gegeben: In der nördlichen Hälfte
der Insel –Leth Cuinn, die »Hälfte des Kopfs«, genannt – hatten sich mächtige
Stämme erhoben und ihre Vorherrschaft über Leth Moga, die südliche Hälfte,
beansprucht. Und auch eine neue zentrale Provinz, genannt Mide oder Meath, war
entstanden, so dass man nun von den fünf Teilen der Insel anstatt von vieren
sprach.
    Über
alle großen Clan–Häuptlinge in jedem der fünf Teile herrschte gewöhnlich der
mächtigste als König, und manchmal erklärte sich der mächtigste von diesen zum
Hochkönig und verlangte von den anderen, dass sie ihn anerkannten und ihm Tribut
entrichteten.
    * * *
    Finbarr blickte
seinen Freund an und schüttelte den Kopf. Es war mitten am Nachmittag, und
Conall sollte gleich zum Rennen starten.
    »Du
könntest wenigstens lächeln, Conall«, meinte Finbarr. »Was bist du nur für ein
trübsinniger Kerl.«
    »Tut
mir Leid«, erwiderte der andere. »Ich bin’s ja nicht mit Absicht.«
    Das
kommt von all den Problemen, die man hat, wenn man zu hochgeboren ist, dachte
Finbarr bei sich. Da schenken einem die Götter zu viel Beachtung. So war es
immer in der keltischen Welt: Raben fliegen über das Haus, Schwäne verlassen
den See, um den Tod eines Clan–Häuptlings anzukünden. Das Fehlurteil eines
Königs kann böse Folgen für das Wetter haben. Und wenn du ein Prinz bist, dann
machen die Druiden bereits Prophezeiungen über dein Leben, noch bevor du
geboren bist, und danach gibt’s kein Entrinnen mehr.
    Conall:
schlank, leicht dunkler Teint, markantes Profil, gut gebaut und bildschön – ein
vollendeter Prinz. Und er war tatsächlich ein Prinz. Morna, sein Vater, war ein
unvergleichlicher Krieger gewesen. Hatte man ihn nicht in stehender Haltung in
einem Heldenhügelgrab mit Blickrichtung auf die Feinde seines Stammes
beigesetzt? Dies war die höchste Ehre, die man in der keltischen Welt einem
Toten erweisen konnte.
    In
der Familie von Conalls Vater brachte es einem Mann Unglück, wenn er Rot trug.
Aber das war nur der Anfang von Conalls Problemen. Er war drei Monate nach dem
Tod seines Vaters zur Welt gekommen. Seine Mutter war die Schwester des
Hochkönigs, der sein Ziehvater wurde. Und das bedeutete, dass die ganze Insel
ihre Augen auf ihn richtete. Und dann hatten die Druiden ihr Wort gesprochen.
Der erste hatte dem Säugling eine Auswahl von Zweigen verschiedener Bäume
gezeigt, und der Kleine hatte sein winziges Händchen nach dem Haselzweig
ausgestreckt. »Er wird ein Dichter werden, ein Mann des Wissens«, erklärte der
Druide. Die Voraussage eines zweiten war düsterer: »Er wird den Tod eines
herrlichen Kriegers verursachen.« Aber so lange es im Kampf geschehen sollte,
fasste die Familie dies als gutes Omen auf. Der dritte Druide aber sprach die
drei gessa aus, die Conall sein Leben lang
verfolgen sollten.
    Die gessa – die Verbote oder Tabus. Wenn ein Prinz
oder großer Krieger mit einem geis belegt war, tat er
besser daran, sich in Acht zu nehmen. Ein geis war etwas
Furchtbares, denn es traf immer ein. Aber da die gessa wie viele
priesterliche Verkündigungen oft rätselhaft klangen, konnte man nicht immer
sicher sein, was sie bedeuteten. Sie waren wie Fallen. Daher war Finbarr heilfroh,
dass sich niemand die Mühe gemacht hatte, ihn mit einem solchen Spruch zu
belegen. Die gessa, die über Conall ausgesprochen wurden,
lauteten, wie jedermann am Hof des Hochkönigs wusste, wie folgt:
     
    Conall soll nicht sterben, bevor er
erstens sein eigenes Gewand beerdigt hat,
zweitens bei Sonnenaufgang das Meer überquert hat,
drittens durch einen schwarzen Nebel nach Tara gelangt ist.
    Der
erste Punkt ergab keinen Sinn, vor dem zweiten musste er sich nur immer hüten,
der dritte schien unmöglich zu sein. Über dem Königssitz zu Tara lag zwar
häufig Nebel, aber nie hatte man davon gehört, dass dieser Nebel schwarz wäre.
    Conall
war ein vorsichtiger Mensch, der stets auf der Hut war und die
Familientradition achtete. Nie hatte Finbarr ihn etwas Rotes tragen
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