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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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der Insel hinweg, durch die winterlichen Wälder und kleinen
Lichtungen hindurch. Über das Flusstal hinweg flogen die Sonnenstrahlen direkt
auf den Grabhügel zu; dessen Quarz erstrahlte, nun scheinbar selbst in Flammen,
sobald er von der grünen Landschaft ringsum das reflektierte Licht aufgriff,
wie eine smaragdgrüne Sonne.
    Lag
nicht etwas Kaltes und Schauriges in diesem grünlichen Schein, während die
Sonnenstrahlen plötzlich durch das Tor in den dunklen Gang des Grabhügels
drangen?
    Der
Gang im Monument aber war so raffiniert angelegt, dass die Strahlen der Sonne,
während diese allmählich höher stieg, ganz sacht und langsam, nicht schneller
als ein auf dem Boden kriechendes Kind, diesen Weg entlangschlichen und dabei
einen Stein nach dem anderen zu einem sanften Leuchten brachten, bis die
Strahlen schließlich die dreifache Kammer im Zentrum des Hügels erreichten.
Dort nahmen sie plötzlich wieder ihre rasende Geschwindigkeit auf, strahlten
funkelnd bald hierhin, bald dorthin, tanzten und erfüllten das Mittwintergrab
mit Licht und Wärme und Leben.

I
 DUBH LINN
     

1
 ~ 430 ~
    Lughnasa. Hochsommer. Die Erntezeit nahte.
    Deirdre
stand am Zaungeländer und sah dem Treiben zu. Eigentlich war es ein schöner
Tag, aber er brachte ihr nur Angst und Sorge, denn ihr geliebter Vater und der
einäugige Kerl waren dabei, sie zu verkaufen. Sie wusste nicht, was sie dagegen
unternehmen sollte.
    Und
zuerst konnte sie Conall nirgends erblicken.
    * * *
    Bei den Wettrennen
war es seit langem Brauch, dass die Männer nackt ritten. Schon vor
Jahrhunderten war den Römern aufgefallen, dass die keltischen Krieger den
Schutz durch Brustpanzer verachteten und zum Kampf alle Kleider abzulegen
pflegten. Ein tätowierter Krieger mit seinen stark ausgeprägten Muskeln, seinem
in großen Strähnen aufgestellten Haar und seinem in ritueller Kampfeswut
verzerrten Gesicht bot einen Furcht einflößenden Anblick, selbst für hart
gesottene römische Legionäre. Manchmal wählten diese rasenden keltischen
Krieger auf ihren Streitwagen einen kurzen Umhang, der ihnen nach hinten von
den Schultern wehte, und in manchen Teilen des römischen Reiches pflegten
keltische Reiter Beinkleider zu tragen. Aber hier, auf der westlichen Insel,
wurde die Tradition der Nacktheit auch bei den zeremoniellen Pferderennen
gewahrt, und so trug der junge Conall nur einen knappen Lendenschurz. Das große
Lughnasa–Fest fand alle drei Jahre in Carmun statt. Carmun war ein unheimlicher
Ort. Eine Wiese, die sich in einer Gegend von Moos und Dickicht grün und kahl
fast bis zum Horizont erstreckte. In einiger Entfernung westlich von der Stelle
gelegen, wo sich der Liffey auf dem Weg zu seiner Quelle in den Wicklow–Bergen
nach Osten zurückzuziehen beginnt, war Carmun absolut flach. Nur hier und da
ragten ein paar Grabhügel auf, unter denen Häuptlinge aus der Zeit der
Vorfahren bestattet waren. Das Fest dauerte eine Woche. Es gab Bereiche für
Nahrungsmittel– und Viehmärkte und andere, wo feine Gewänder verkauft wurden;
aber das Wichtigste war die ausgedehnte Rennbahn.
    Um
die Rennbahn herum hatten die Zuschauer und Festbesucher, zuweilen ganze Clans,
in Zelten oder vorübergehend errichteten Hütten ihre Lager aufgeschlagen.
Männer und Frauen waren gleichermaßen in ihre leuchtenden Umhänge in
Scharlachrot, Blau oder Grün gekleidet. Die Männer trugen prachtvolle goldene
Torques um den Hals; die Frauen trugen alle möglichen Halsgeschmeide und
Armreife zur Schau. Manche Männer waren tätowiert, andere hatten langes
wehendes Haar und Schnauzbärte, wieder andere hatten ihr Haar mit Lehm
aufgefüllt und zu Furcht erregenden kriegerischen Spitzen aufgestellt. Man sah
prunkvolle Kriegsstreitwagen, die Pferde waren in Pferche zusammengetrieben,
und an den Lagerfeuern erzählten Barden ihre Geschichten. Gaukler und Akrobaten
trafen ein, und die Klänge einer Harfe, einer Knochenpfeife oder eines
Dudelsacks waren zu hören. Der Duft von bratendem Fleisch und von Honigkuchen schien
sich in den leichten Rauch zu mischen, der durch das bunte Treiben schwebte.
Auf einem festlich ausgeschmückten Grabhügel dicht bei der Rennbahn thronte der
König von Leinster.
    Die
Insel war in vier Teile aufgeteilt. Im Norden lagen die Gebiete der alten
Ulaid–Stämme, die Provinz der Krieger. Im Westen war eine liebliche Provinz mit
magischen Seen und zerklüfteten Küsten – sie nannten es das Land der Druiden.
Im Süden gab es die Provinz Muma, die für ihre Musik
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