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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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erreichte, nicht ohne Ehrfurcht den
»Druiden« nannten.
    Es
gab drei Klassen von gelehrten Männern auf der Insel. Die niedrigste waren die
Barden, die Geschichtenerzähler, die die Gesellschaft auf einem Fest zu
unterhalten hatten; eine ganze Klasse höher waren die filidh, Hüter der
Genealogien, Schöpfer von Dichtungen und manchmal sogar Prophezeiungen; aber
über diesen beiden, und noch mehr gefürchtet, standen die Druiden.
    Vor
langer Zeit, noch bevor die Römer dorthin gelangten, sollen die meisten
gelehrten und in ihrer Kunst bewanderten Druiden auf der Nachbarinsel
Britannien gelebt haben. In jener Zeit pflegten die Druiden nicht nur Tiere,
sondern auch Männer und Frauen zu opfern. Das war jedoch lange her. Nun
befanden sich die Druiden auf der westlichen Insel, und niemand konnte sich
mehr an das letzte Menschenopfer erinnern.
    Die
Ausbildung eines Druiden konnte zwanzig Jahre dauern. Häufig wusste auch er das
meiste von dem, was die Barden und filidh wussten; aber
darüber hinaus war er ein Priester, mit dem geheimen Wissen auf dem Gebiet der
magischen Bannsprüche und der Kraft der Zahlen; er wusste, wie man mit den
Göttern sprach. Die Druiden führten die Opferungen und Rituale zu Mittwinter
und während der anderen großen Feste des Jahres durch. Die Druiden bestimmten,
an welchen Tagen die Saat ausgebracht und die Tiere geschlachtet wurden. Kaum
ein König hätte es gewagt, eine Unternehmung zu beginnen, ohne zuerst die
Druiden zu befragen. Streit mit ihnen und Zweifel an ihren Worten konnte, wie
es hieß, so heftige Folgen haben, dass dies sogar Brandblasen auf der Haut
hervorrief. Der Fluch eines Druiden konnte siebzehn Generationen wirken. Weise
Ratgeber, geachtete Richter, gebildete Lehrer, gefürchtete Feinde – die Druiden
waren all dies zusammen.
    Aber
darüber hinaus haftete ihnen etwas noch Geheimnisvolleres an. Manche Druiden
konnten nämlich wie Schamanen in Trance verfallen und die Anderswelt betreten.
Sie konnten sogar ihre Gestalt in die eines Vogels oder eines Tiers verwandeln.
Besaß vielleicht auch sein Freund Conall, so fragte sich Finbarr zuweilen,
etwas von diesen mystischen Gaben?
    Gewiss
hatte er seit jener Kindheitsbegegnung immer viel Zeit bei den Druiden
verbracht. Und als er zwanzig war, wusste er, so hieß es, mehr als die meisten
jungen Männer, die sich für das Priesteramt ausbildeten. Aber ein solches
Interesse galt keineswegs als befremdend. Viele Druiden kamen aus vornehmen
Familien; manche der größten Krieger hatten früher bei Druiden oder filidh studiert. Nur das
Ausmaß von Conalls Wissen auf diesem Gebiet war ungewöhnlich. Und sein
Gedächtnis war phänomenal.
    So
sehr Conall es auch bestritt, hatte Finbarr dennoch den Eindruck, dass er sich
manchmal einsam fühlte.
    Um
ihre Freundschaft zu besiegeln, hatte der Prinz ihm ein paar Jahre zuvor einen
Welpen geschenkt. Finbarr hatte den kleinen Hund überallhin mitgenommen. Er
nannte ihn Cuchulainn, nach dem Sagenhelden dieses Namens. Nur allmählich war
Finbarr, während der Welpe heranwuchs, bewusst geworden, wie kostbar dieses
Geschenk war. Es stellte sich nämlich heraus, dass Cuchulainn ein
hervorragender Jagdhund war, einer von jener Art, für die die Kaufleute von
weit jenseits des Meeres auf die westliche Insel kamen und für die sie mit
Silberbarren oder gar römischen Münzen zu zahlen pflegten.
    »Sollte
mir jemals etwas zustoßen«, meinte Conall einmal zu Finbarr, »dann wird immer
noch dein Jagdhund Cuchulainn da sein und dich an mich und unsere Freundschaft
erinnern.«
    »Du
wirst mein Freund sein, so lange ich lebe«, versicherte Finbarr dem Prinzen.
»Ich gehe davon aus, dass ich derjenige bin, der als Erster von uns stirbt.«
    Conall
besaß noch eine andere Begabung. Er konnte lesen.
    Den
Menschen auf der Insel war das geschriebene Wort nicht fremd. Die Kaufleute von
Britannien und Gallien, die die Häfen besuchten, waren häufig des Lesens
kundig. In die römischen Münzen, die sie verwendeten, waren lateinische
Buchstaben eingeprägt. Finbarr kannte mehrere Barden und Druiden, die der Schrift
mächtig waren. Vor wenigen Generationen hatten die gelehrten Männer der Insel
unter Verwendung von Vokal– und Konsonantlauten aus dem Lateinischen sogar eine
einfache eigene Schriftform entwickelt, um Erinnerungssprüche in keltischer
Sprache in Pfähle oder Steine eingravieren zu können. Aber obwohl man hin und
wieder auf einem Menhir diese seltsamen »Ogham«–Zeichen eingeritzt fand,
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