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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa
Autoren: Peter Prange
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Lebenempfangen hatte. Mit diesem Schwert, das dort im Dämmerlicht blinkte, hatte Papst Innozenz ihn in den Ritterstand erhoben.
    Ihm war, als würde sein alter Gönner aus dem Jenseits zu ihm lächeln. Glühende Liebe wallte in Francesco auf. Der Heilige Vater war der einzige Mensch gewesen, der ihn je verstanden hatte. Immer hatte Innozenz an ihn geglaubt, in guten und in schlechten Tagen, hatte zu ihm gestanden, sich um ihn gesorgt wie ein Vater um seinen Sohn. Und auch in dieser Stunde, da alle sich von ihm abgewandt hatten, als habe er die Pest, war der Papst bei ihm, reichte ihm seine Hand, um ihm ein letztes Mal zu helfen.
    Die Augen auf das Schwert gerichtet, zog Francesco sich am Fenstersims in die Höhe, tastete sich am Tisch entlang durch die Kammer zur Wand.
    Als er die Waffe in der Hand hielt, fielen alle Schmerzen von ihm ab. Noch einmal hörte er die Vögel tschilpen, doch sie wollten ihn nicht mehr verhöhnen. Freundlich begrüßten sie ihn wie beim Anbruch eines neuen Tages.
    Francesco schloss die Augen und richtete das Schwert gegen sich. Wie ein Engel, der vom Himmel herabgestiegen war, stand sie vor ihm, mit blonden Locken und einem Lächeln im Gesicht, wie es schöner selbst Michelangelo nicht hätte zaubern können. Ein Gesicht von so zarten Farben und solcher Anmut, dass es nicht von dieser Welt sein konnte.
    Kalt spürte er die Spitze des Stahls auf seiner Brust.
    »Warum«, flüsterte er. »hast du das getan?«
    In einer Enttäuschung, die so groß und schwarz war wie das Universum selbst, stürzte er sich in sein Schwert.

29
    War ein Kunstwerk ein solches Opfer wert?
    Grau dämmerte der Abend durch das kleine Fenster im Dachgestühl. Clarissa saß an Francescos Bett und hielt seine Hand, die manchmal, im Abstand von vielen, langen Minuten, mit kaum spürbarem Druck zu erkennen gab, dass noch Leben in ihr war. Wie sehr hatte sie all die vielen Jahre diese Hand gemocht, die sich gleichzeitig so zart und kräftig anfühlte. Auf ihrem Schoß lag der Bericht, den Francesco am Nachmittag dem Kommissar des Gouverneurs diktiert hatte. Darin hatte er seine Tat geschildert, in klaren, nüchternen Worten, bevor er die Letzte Ölung empfing. Clarissa hatte die Zeilen wieder und wieder gelesen, und doch war sie unfähig, sie zu begreifen.
    Woher hatte er nur die Kraft für diesen Bericht genommen? Woher hatte er überhaupt noch die Kraft zu leben? Mit einem Seufzer drückte sie seine Hand. Der ganze Raum war eine Anklage gegen sie, jeder Gegenstand Zeuge seines Versuchs, sich zu entleiben. Auf dem Boden klebte sein Blut, groß wie ein See war der Fleck, der sich dunkelrot in die Bohlen gefressen hatte. Abgerissen baumelte der Vorhang von der Decke, in einer Ecke lag ein Haufen blutverschmierter Verbände, die der Arzt gewechselt hatte, und neben dem Bett blinkte das Schwert. Noch immer hing der Geruch des Feuers in der Luft, in dem Francesco seine Werke verbrannt hatte: die Pläne aller seiner ausgeführten und unausgeführten Bauten, damit nie wieder jemand eine Idee von ihm stehle.
    »Weinen Sie nicht … bitte …«
    Clarissa hob den Blick. Erst jetzt merkte sie, dass ihr Gesicht nass von Tränen war. Hatte er wirklich gesprochen? Sie beugte sich vor. Scharf und kantig zeichnete sich auf dem Kissen das Profil seines Kopfes ab. Seine Wangen waren so stark eingefallen, dass die Knochen auf groteske Weise hervortraten. Doch die Augen in den tiefen Höhlen waren geschlossen.
    »Woher wissen Sie, dass ich weine?«
    »Ich fühle es … an Ihrer Hand.«
    Er machte eine Pause, das Sprechen fiel ihm so schwer, dass er Kraft schöpfen musste. Ganz flach ging sein Atem, Clarissa konnte die Bewegung seines Brustkorbs nur noch ahnen.
    »Haben Sie es getan?«, fragte er dann mit tonloser Stimme, die Augen noch immer geschlossen, das Gesicht zur Zimmerdecke gewandt. »Haben Sie ihm … den Entwurf gegeben?«
    Clarissa spürte, wie die Verzweiflung in ihr aufstieg, doch mit einer Anstrengung ihres Willens, die fast über ihre Kräfte ging, unterdrückte sie die Tränen.
    »Es war Ihr kühnster Entwurf, das Beste, was Sie je erfunden haben«, sagte sie leise. »Die Welt sollte diesen Platz sehen, um jeden Preis.« Behutsam drückte sie seine Hand. »Können Sie mir verzeihen?«
    »Mein Leben … hätte so schön sein können … Vielleicht wäre ich sogar glücklich gewesen …, wenn es diesen Mann … nicht gegeben hätte.« Er versuchte zu lächeln, während er den sanften Druck ihrer Hand erwiderte, doch das
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