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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Titus Müller
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hätte dir öfter auf die Füße treten sollen.« Eine Hand senkte sich auf ihre Schulter. »Was soll das?« fuhr sie herum und stieß einen Mann von sich.
    Als wäre es Staub, putzte sich der Gestoßene die Berührung von der Brust. Dann hob er den Kopf: ein ernstes, bleiches Gesicht. Donik. Vaters Bote. »Er will dich sehen.«
    »Nicht jetzt.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?« fragte Donik ruhig.
    Sie knirschte mit den Zähnen. Knurrte: »Du hast recht. Ich habe keine Wahl. Gehen wir.«
    »Wartet«, rief der junge Kessiner, und wies mit der Hand auf sie. »Wer ist diese Frau?«
    Donik verzog keine Miene. »Das ist Alena, Nevopors Tochter.«
    »Die Nawyša Devka«, flüsterte ihr Tanzpartner. Er rührte an seine Lippen, als wollte er das Gesagte zurücknehmen. Einige Paare unterbrachen ihren Tanz.
    Als die ersten Menschen begannen, sich erschrocken zu verneigen, packte Alena den Boten am Hemd und zog ihn fort. »Danke«, fauchte sie. »Das war ja ein fabelhafter Auftritt.«
    Donik schwieg. Sie stampften durch das Lager, hielten sich in der Dunkelheit zwischen den Feuern der einzelnen Zeltstädte.
    »Ist dir nicht in den Sinn gekommen, daß man unter den Kessinern vielleicht nicht wußte, wer ich bin, und daß es gut sein könnte, es dabei zu belassen?«
    »Du hast keinen Grund, dich zu verstecken.«
    »Verstecken? Es wird der Priestertochter doch wohl gestattet sein, ein Fest zu genießen!«
    Sie erklommen die Treppe zum Westtor. Wie stumme Recken wuchsen die Wälle vor ihnen in die Höhe.
    »Wir wissen beide«, sagte Donik ruhig, »daß du anderes im Sinn hattest als ein Fest.«
    »Paß auf, was du sagst, Wurm!« Sie atmete heftig, und es hatte nicht nur mit den Stufen zu tun. Die Dreistigkeit Doniks ärgerte sie mindestens so sehr, wie der mißglückte Abend es tat. Zugleich wütete die Vorahnung auf einen weiteren Streit mit Vater in ihrem Bauch. »Wie ist er gelaunt?«
    Das Tor öffnete sich vor ihnen.
    »Finde es selbst heraus.«
    Fackelschein im Burginneren. Nackte Oberkörper, sich voranstemmende Männer, Seile über den Schultern. Eine Felsplatte, darunter rollende Bäume. Leicht hügelan auf dem höchsten Platz strotzte der Tempel, errichtet auf bleichen Tierknochen. Wächterstatuen umzäunten ihn: lange, bis zum Tempeldach aufragende Bohlen mit weit aufgerissenen Mäulern, geifernd, zähnefletschend, gespaltene Zungen in die Nacht gereckt. Geister waren es, die ihre Wut genossen.
    Neben den arbeitenden Männern flatterte ein schwarzer Mantel. Vater. Er überwachte die mühsam voranknirschende Felsplatte mit verschränkten Armen. Es sah aus, als sei es nicht die Muskelkraft der Männer, sondern Vaters Blick, der die Platte bewegte. Ein Windhauch spielte in den langen Haaren, zupfte am Bart und ließ die Enden der Priesterbinde am Hinterkopf flattern.
    Spürte er, daß sie ihn musterte? Vater drehte sich um, löste sich von den keuchenden Männern, kam näher.
    »Warum läßt du das erst jetzt in der Nacht machen?« fragte Alena wie beiläufig. Sie hoffte auf ein leichtes Zucken der Augenwinkel, ein Zeichen des Wohlwollens. Aber Vaters Gesicht blieb starr.
    »Es ist gut, wenn die Menschen am Morgen etwas Neues sehen.«
    »Du willst, daß sie denken, der Dreiköpfige habe den Altar dorthin getragen?«
    Nevopor wendete sich an Donik. »Überwache für mich die Arbeit. Die Blutrinne in der Felsplatte soll zum Westtor zeigen.« Der Dienstbote nickte knapp und schritt auf die nackten Schultern zu. Währenddessen wies Vater auf ihr Haus. »Komm, wir müssen reden.«
    »Sie sollen tatsächlich glauben –«
    »Niemand denkt das, Alena.«
    Im Haus knirschte Sand unter den Füßen. Mondlicht wehte durch die Giebelöffnung und die Fenster hinein, weckte die schlafenden Wandbehänge, senkte sich auf den kalten Ofen, huschte über die gedrechselten Bänke ringsum an den Wänden. Ein silberner Sprung über den Webstuhl – die Fäden glitzerten leise –, weiches Landen auf Vaters Truhe.
    Der Vater nahm Platz und klopfte neben sich auf die Bank. Als Alena sich setzte, stand er auf, trat zum Webstuhl hinüber und zog sich einen Schemel heran. Natürlich, er wollte ihr gegenüber sitzen, wie er es gern tat, wenn er ihr den Kopf wusch.
    Das Kleid klebte ihr am Rücken und an der Brust. Vorsichtig senkte sie die Nase: Schweißgeruch. Er mußte sehen, wie wild sie getanzt hatte. Nein, sie würde sich Vaters Willen nicht beugen. Sie war die einzige in Rethra, die es wagte, sich ihm zu widersetzen. Die einzige, die nicht
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