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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Titus Müller
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Wohlgestalt, trotz allem. In der silbernen Kette, die seinen Fellumhang zusammenhielt, spiegelte sich der Feuerschein. Er hatte Alena noch nicht bemerkt.
    Sie warf das Haar, das lange, dunkle, und ließ die Schläfenringe klingeln. Mit den Augen funkelte sie ihrem Tanzpartner eine glühende Aufforderung zu. Er grinste, packte sie mit beiden Händen und hob sie in die Luft. Jauchzend ließ sie sich in die Bögen des Tanzes fallen, bis der Kessiner sie absetzte.
    Wieder ein Blick. Der Fürst stopfte sich ölglänzendes, bleiches Fischfleisch in den Mund. Er sah stumpf vor sich hin, angelte mit fettigen Fingern zwischen den Zähnen nach Gräten.
    »Wie heißt dieser Mann?« keuchte sie.
    »Želechel«, antwortete ihr junger Tanzpartner. »Du bist Redarierin, richtig?«
    Sie antwortete mit einem Augenzwinkern. Sorgfältig darauf bedacht, daß er es nicht bemerkte, schob sie den jungen Kessiner in Tanzschritten um das Feuer herum, näher zum Fürsten. Sie stieß ihren Partner an, lachte und zog dabei die Nase kraus.
    Da. Endlich sah der Fürst herüber. Er hob eine Schöpfkelle an die Lippen, schlürfte die Suppe aber nicht, sondern pustete Luft darauf, ohne den Blick von Alena zu nehmen. Sie senkte die Lider, sah auf die kupferne Gürtelschnalle des Fürsten. Dann riß sie der Tanz weiter. Wenn er ein Herr war wie Vater, würde er Bescheidenheit und Anstand mögen. Augenblicklich setzte sie die Füße ruhiger, folgte der Melodie und den Trommelschlägen mit geschmeidigen, aber kontrollierten Bewegungen.
    »Warst du schon oft hier?« fragte sie ihren Tanzpartner. »Erst einmal, letztes Jahr. Die Burg beeindruckt mich immer noch.«
    »Und der Tempel?«
    »Davon halte ich mich lieber fern.«
    Sie verzog spöttisch die Lippen. »Du fürchtest dich?«
    »Fürchtest du dich nicht? Immerhin wohnt der Dreiköpfige darin.«
    Drehung um Drehung. Fliegende Zelte, Feuerfunken, Gesichter. Die Musik ein Dröhnen im Bauch, in den Füßen, in den Ellenbogen.
    Der Kessinerfürst hielt sich unverändert die Kelle vor das Kinn. Unmöglich konnte er ihr Gespräch belauscht haben: Die Flöten und Dudelsäcke waren zu laut. Aber er beobachtete Alena mit strengem Blick, verfolgte den Weg des Tanzpaares. Sie führte den jungen Schwarzschopf zur anderen Seite des Feuers.
    »Wüßte gern, wie es im Tempel aussieht«, sinnierte er. »Diese schrecklichen Geisterstatuen rings herum … Verbergen sie Lichterglanz? Oder rote Glut inmitten eines dunklen Raums?«
    »Ich kenne das Innere des Tempels.«
    Der Kessiner unterbrach den Tanz. Ein anderes Paar rempelte sie an, aber er stand wie angewurzelt und starrte ihr ins Gesicht. »Warst du drinnen?« hauchte er.
    Sie ließ ein wenig die Mundwinkel zucken, geheimnisvoll.
    »Svarožić – du hast ihn gesehen?« Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Dann plötzlich griente er wieder, schüttelte den Kopf. »Du legst mich aufs Kreuz, oder?«
    »Ich habe gehört, daß euer Fürst sein junges Weib verstoßen hat. Ist das richtig?«
    Der Kessiner runzelte die Brauen, nickte. »Du kannst niemals im Tempel gewesen sein. Allein die Priester haben Zutritt, und nicht einmal sie dürfen Luft schöpfen, wenn sie im Inneren sind, um den Dreiköpfigen nicht mit ihrem sterblichen Atem zu beschmutzen.«
    »Hat Želechel schon erneut gewählt?«
    »Wer bist du, daß dich das interessiert?«
    Alena schlug die Augen nieder. »Komm, laß uns weitertanzen.«
    Zwar gehorchte der Kessiner, aber er war sichtlich verwirrt. Widerwillig umfaßte er ihren Arm, als verbrenne er sich daran die Finger. Er musterte sie, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt, die Stirn umwölkt. Seine Füße fielen aus dem Rhythmus der Trommeln, und er schien es nicht einmal zu bemerken.
    »Was ist los?« Alena kniff ihn in die Schulter.
    »Nichts.«
    »Schon müde?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, was du wirklich hier willst. Du bist doch nicht zum Tanzen zu uns gekommen.« Seine Stimme begann zu zittern. »Gehörst du nach da oben?«
    Sie sah hinauf. Schwarz schoben sich die Wälle Rethras vor die Sternenpracht. Der Mond balancierte wie ein rundes, fahles Brot auf dem Westtorturm, die anderen Türme drohten zu beiden Seiten, emporgereckte Stierhörner. Über einerZinne funkelte silbern die Speerspitze eines Postens. Ein geisterhafter, weißer Schimmer glomm hinter den Mauern.
    »Und wenn es so wäre?«
    »Bist du eine
Vila

    Lauthals lachend legte sie den Kopf in den Nacken. »Ich ein Geist? Sehe ich aus wie eine
Vila
? Ich
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