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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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segnen, durch die er strömte.

    »Erzähl mir, wie es war, als du ein kleines Mädchen auf Avalon warst…« Crispa hatte sich ausbedungen, eine Zeit lang bei Cunoarda und mir im Innern des Wagens zu fahren, obwohl ich wusste, dass sie über kurz oder lang wieder bei Lena sitzen wollte, die den Wagen lenkte.
    »Ich hatte einen weißen Hund, Eldri…«
    »Wie Leviyah?« Crispa zog den Vorhang zurück und zeigte auf den Hund, der neben uns hertrottete, den Kopf hoch erhoben, um alle Gerüche dieses neuen Landes aufzunehmen.
    »Kleiner, mit lockigem Fell. Ein Junge vom Dorf am See hat ihn mir geschenkt und gesagt, es sei ein Feenhund. Ich glaubte ihm, denn der Hund hat mich einmal in ein Land geführt, das noch weiter von dieser Welt entfernt ist als Avalon, und mich sicher wieder zurückgebracht.«
    Cunoardas Mundwinkel zuckten, und mir wurde klar, dass sie meinte, ich erzählte dem Kind ein Märchen. Ich fand es befremdlich, dass sie, die in Alba geboren war, größere Schwierigkeiten hatte, an Avalon zu glauben, als Lena, das Kind einer gründlich romanisierten gallischen Aristokratie. Doch vielleicht brauchte Cunoarda noch die Mauern, die sie zum Schutz vor dem Schmerz über ihren Verlust errichtet hatte, und hatte nicht den Mut. Ich wusste, sie hatte im Christentum viel Trost gefunden, und als wir in Londinium waren, besuchte sie die Messen in der Kirche des Heiligen Pankraz, die ich vor langer Zeit gestiftet hatte.
    »Hattest du noch andere Mädchen zum Spielen dort?«
    »Ich habe im Haus der Jungfrauen gelebt«, antwortete ich und dachte mit plötzlicher, überwältigender Klarheit an das Raunen der Mädchen im Dunkeln. »Ich hatte eine kleine Kusine, die Dierna hieß und so rotes Haar hatte wie Cunoarda. Ich glaube, Dierna ist heute die Herrin von Avalon.«
    Mit einem Anflug von Angst wurde mir klar, dass ich es nicht wusste. Ich hatte von Ganedas Beisetzung geträumt - hätte ich dann nicht gespürt, wenn Dierna, die ich so geliebt hatte, auch gestorben wäre?
    Wenn sie fort war, gäbe es vielleicht niemanden mehr auf Avalon, der sich meiner erinnerte.

    Hinter Lindinis bogen wir nach Norden ab auf die Straße nach Aquae Sulis. Es war Ende Oktober, die Zeit um Samhain, wenn die Geister der Toten zurückkehren. Wie passend für meine Heimkehr , dachte ich. Die Landschaft wurde jetzt sehr vertraut. Ich selbst erschien mir unwirklich, als wäre ich tatsächlich und nicht nur zum Schein gestorben und würde nun mit den anderen Geistern beschworen, die zu dieser Jahreszeit umherwandelten.
    Zwei Tage lang hatte es geregnet, und eine silbrige Wasserschicht lag über dem Tiefland, doch ich bestand darauf, weiterzufahren, denn ich erinnerte mich daran, dass die Marschen Reisenden nur wenig Unterkünfte zu bieten hatten. Umso überraschter waren wir, als wir ein kleines Wirtshaus an der Weggabelung fanden, wo der Pfad nach Inis Witrin von der Straße nach Sulis abzweigte.
    »O ja, wir sind seit nahezu zwanzig Jahren hier«, sagte die rundliche Frau, die uns das Essen vorsetzte. »Seitdem der gute Kaiser den Christen Schutz gewährt hat. Mein Vater hat das Haus gebaut, um den Reisenden zu Diensten zu sein, die auf ihrer Pilgerfahrt zu den Mönchen auf dem Tor sind.«
    Ich blinzelte verblüfft, denn zu meiner Zeit waren die Mönche auf Inis Witrin eine winzige Gemeinde gewesen, die sich nur dann in Sicherheit wiegen konnten, wenn die Machthaber sie geflissentlich übersahen. Doch nun hielten die Christen die Macht inne, und es blieb abzuwarten, ob sie diese weiser zu nutzen wussten als ihre Vorgänger.
    Am Morgen brachen wir wieder auf und mussten uns abstützen, als der Wagen über die Holzbohlen auf dem Damm holperte. Bei Sonnenuntergang sahen wir die Spitze des Tor vor dem goldenen Himmel, umgeben von einem Lichtkranz.
    »Es gibt ihn wirklich«, hauchte Lena.
    Ich lächelte, denn in diesem Augenblick war selbst die Insel, die in der sterblichen Welt liegt, in strahlenden Glanz getaucht, und doch war unser eigentliches Ziel noch wunderbarer.
    Ich sah den Rauch aus den Küchenschornsteinen des Klosters, als wir uns der Insel näherten. Von hier aus mussten wir zu Fuß gehen, denn das Dorf am See konnte man nicht mit einem Wagen erreichen. Die Sonne war beinahe untergegangen, und Cunoarda und Lena wurden zunehmend nervös, doch jetzt, da wir hier waren, verlieh die Vorfreude meinen Gliedern neue Kraft. Der Pfad zumindest sah noch genauso aus - ich bezweifle, dass er sich im Laufe von tausend Jahren verändert hat. Ich
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