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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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wissen, dass wir in IHREN Armen und an IHRER Brust sterben, selbst wenn wir in Unwissenheit sterben müssen.

    Aber ich starb nicht. Als ich im hellen Licht des Morgens in Lenas Armen wach wurde, holte ich tief Luft und freute mich, da die lebensspendende Luft meine Lungen füllte. Trotzdem war ich hoffnungslos schwach, und mein Herz raste. Zum ersten Mal sah ich die Möglichkeit vor mir, dass mich mein Körper im Stich lassen könnte, noch ehe ich mein Ziel erreichte.
    Ich erinnerte mich an Zeiten während meiner Krankheit, als der Tod eine willkommene Erleichterung gewesen wäre. Dann wiederum hatte ich mir die Lehren von Avalon ins Gedächtnis gerufen und meiner panischen Angst entgegengewirkt. Ich hatte Grund anzunehmen, dass der Tod nur der Übergang von einer Existenzform in die nächste bedeutete, doch ich hatte mich stets vor dem Augenblick selbst gefürchtet. Nun indes merkte ich, dass ich nicht um mich bangte, sondern um alle, die ich hinterlassen würde.
    »Du bist ja wach!«, rief Lena, als ich mich rührte. »Und es geht dir besser, den Göttern sei Dank!«
    »Vorläufig, aber wenn ich mich nicht erhole, muss ich dir sagen, wie du nach Avalon kommst.«
    Lena wurde rot vor Verlegenheit. »Heißt das, den Ort gibt es wirklich? Ich dachte, du hieltest es wie die Dichter, um mir die Sicherheit zu beschreiben, die uns in Britannien erwartete.«
    Ich öffnete den Mund, um ihren Irrtum richtig zu stellen, schloss ihn aber wieder, denn ich erkannte, wie tief das Tabu verwurzelt war, Außenstehenden von der heiligen Insel zu erzählen.
    »Es gibt den Ort, obwohl er nur schwer zu erreichen ist. Er liegt in dem Land, das Sommerland genannt wird. Ein Tal erstreckt sich dort zwischen zwei Bergketten, so tief liegend, dass es überflutet ist, wenn die Flüsse Hochwasser führen oder Winterstürme die Flut ins Land drängen und jede kleinste Erhebung zu einer Insel wird. Und darunter ist eine, gekrönt von einem Felsturm, die Inis Witrin heißt.
    Wenn du dort hinkommst, gehe nicht zu den Mönchen, die ihre kleine Kirche am Fuß des Tor haben, sondern bleib im Dorf der Fischer, die in den Marschen leben, und sag ihnen, dass du Eilans Enkelin bist und nach Avalon gebracht werden willst.«
    Sie sah mich zweifelnd an, und ich seufzte, denn in Wirklichkeit konnte ich mich nicht einmal dafür verbürgen, dass mir nach so vielen Jahren der Zutritt gestattet wäre. Und tat ich recht daran, Lena dorthin zu bringen? Diese lebhafte junge Frau, deren Wangen glühten, trotz der dunklen Ringe, die eine durchwachte Nacht unter ihre Augen geworfen hatte, war ganz anders als das zerbrechliche, furchtsame Mädchen, dem ich vor knapp zwei Monaten geholfen hatte, aus Treveri zu entkommen.
    »Die heilige Insel ist eine Zuflucht, wohin kein König oder Kaiser folgen kann. Aber es wird nicht von dir erwartet, dorthin zu gehen. Wenn du und Crispa einen neuen Namen annehmt, halte ich es für wahrscheinlich, dass ihr hier in Londinium in absoluter Sicherheit leben könnt.«
    Ihre geschwungenen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Willst du nicht, dass wir mitkommen?«
    »Lena, verstehst du nicht, wie sehr ich dich inzwischen liebe? Deshalb liegt die Entscheidung bei dir. Ich weiß nur, dass ich dorthin gehen muss, dass ich es zumindest versuche.«

    Ich erholte mich nur langsam, und erst im Oktober war ich kräftig genug, um die Reise antreten zu können. Der Wagen, in dem wir aus Dubris gekommen waren, wurde mit einer weichen Matratze ausstaffiert und mit Vorräten beladen. Ehe ich Londinium verließ, gab es jedoch noch eine letzte Aufgabe für mich.
    Ich hatte erlebt, wie rasch sich unter Konstantins Gunst das Christentum als Religion in Europa ausbreitete. Ich sah eine Zeit voraus, in der christliche Schreine und Symbole die der alten Religion vollständig verdrängt und Britannien in ein christliches Land verwandelt hätten. In der Zeit, die noch kommen sollte, würden nur noch wenige verstehen, dass es möglich ist, sowohl die Göttin als auch den Gott anzubeten.
    Der Gedanke schmerzte mich, dass mein Relief der Mütter eines Tages von Menschen verlacht würde, die es nicht mehr als heilig betrachteten. Deshalb ließ ich Arbeiter rufen, die es von der Wand entfernten und auf einen Karren luden. In der Nacht, als die Männer nach Hause gegangen waren, zogen Lena und Cunoarda ihn an den Fluss, der hinter meinem Anwesen durch die Felder floss, und kippten das Relief hinein. Verborgen in den Tiefen des Flusses, würden die Mütter die Stadt
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