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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Kirchen beigesetzt, mitten in den Städten. Jede christliche Kirche, die Anspruch auf Größe erhob, hatte bereits ihren Märtyrerschrein, in dem ein Heiliger lag, der sogleich Heiligkeit errungen hatte, nachdem er ermordet worden war. Mit dem Ende der Verfolgungen jedoch blieben die Märtyrer aus. Ich fragte mich, ob sie am Ende gezwungen wären, die Leichen auseinander zu nehmen, um sie an verschiedene Orte zu tragen - einen Fingerknochen hier und einen Fuß anderswo, meilenweit entfernt? Bischof Macarius hatte Recht. Die Menschen lechzten nach einem körperlichen Beweis dafür, dass ihr Glaube in dieser Welt ebenso existierte wie im Himmel. Doch an irgendeinem Punkt würden sie lernen müssen, ohne solch greifbare Verbindungsstücke auszukommen. Ich unterdrückte ein hysterisches Kichern bei der Vorstellung, wie Gott versuchte, diese verstreuten Einzelteile einzusammeln, um die Leichen seiner Heiligen am Tag des Jüngsten Gerichts wieder zusammenzustellen.
    Natürlich war das berühmteste aller Gräber leer, und ich hatte meine Zweifel hinsichtlich der Gräber einiger Apostel nach so vielen Jahren. Vielleicht sollte ich mir über die Tatsache, dass die Knochen in diesem Sarkophag nicht mir gehörten, keine allzu großen Sorgen machen. Wichtig war, dass die Menschen glaubten, meine Leiche läge dort. Und wenn ihre Gebete die arme Seele, deren Leiche mich vertrat, noch schneller gen Himmel beförderten, dann war das nicht mehr als recht und billig. Das schuldete ich der Frau, deren Tod mir meine Freiheit geschenkt hatte.

21. Kapitel
    A. D. 329
    »Tot zu sein ist gar nicht so schlimm. Tatsächlich fühle ich mich mit jedem Tag lebendiger.« Ich lächelte Cunoarda aufmunternd zu.
    Wir hatten überlegt, mich als ihre Mutter auszugeben, doch die Freigelassene der Kaiserin war vielen bekannt, und es schien klüger, zu behaupten, ich sei eine alte britannische Dienerin namens Eilan. Zu sehen, wie Cunoarda es zu vermeiden suchte, mir Befehle zu erteilen, wäre amüsant gewesen, hätte ich nicht gewusst, wie sehr es sie belastete. Sie war inzwischen dreißig und kein Mädchen mehr. Trotzdem wären ihr rotes Haar und die wohlgerundete Figur hübsch anzusehen gewesen, wenn sie nicht so ein verängstigtes Gesicht aufgesetzt hätte. Durch meinen letzten Willen besaß sie nun genügend Geld, um sich ein nettes kleines Anwesen irgendwo im Imperium zu kaufen. Auch einen Gemahl hätte sie sich zulegen können, wenn sie gewollt hätte. Ihre Treue beschämte mich Tag für Tag aufs Neue, je länger sie bei mir blieb.
    Fast zwei Monate waren nun vergangen, seitdem wir in der grauen Morgendämmerung eines frühen Sommertages in Ostia an Bord eines Schiffes gegangen waren. In Massilia hatten wir einen bescheidenen Wagen gekauft und die lange Reise nach Britannien angetreten.
    »Fühlst du dich wirklich kräftiger?«, fragte Cunoarda.
    Ich nickte. Mir war nicht bewusst gewesen, wie stark die steifen Roben und die Zeremonien meiner alten Identität mich belastet hatten. Ohne sie fühlte ich mich körperlich und geistig leichter, und die Kurzatmigkeit, unter der ich in Rom gelitten hatte, war beinahe vergangen. Tief sog ich die nach Heu duftende Luft ein, als könnte ich das Sonnenlicht trinken. Bald , dachte ich, werde ich so leicht, dass ich entschwebe .
    Schweben wäre im Übrigen eine bequemere Art der Fortbewegung gewesen. Die Strecke, die wir gewählt hatten, führte uns durch das Rhodanus von Arelate nach Lugdunum, von dort ging es durch die Felder und Hügel Galliens. Leider hing der Zustand der Straße in jedem Abschnitt von der Fürsorge der dafür zuständigen Verwaltung ab. Ein Jahr zuvor noch hätte ich mich geweigert, ohne gut gepolsterte Sänfte und eine Truppe leichtfüßiger Nubier als Träger zu reisen, doch ich ertrug das Holpern des Wagens überraschend gut.
    Hätte ich gewusst, wie sehr ich meine Freiheit genießen würde, dann hätte ich schon vor Jahren die Flucht ergriffen , dachte ich. Doch vor Jahren, ermahnte ich mich bitter, hatte ich noch gehofft, das Imperium durch meinen Sohn retten zu können.
    Nun erkannte ich die Hügel um Treveri wieder. Hier einen Halt einzulegen war riskant, doch ich bezweifelte, dass jemand zweimal hinschauen würde angesichts einer alten Frau mit sonnengebräuntem Gesicht unter dem breiten Hut und eingehüllt in ein geflicktes Schultertuch.
    Sobald wir die alte Brücke über die Mosella überquerten und uns durch die Stadt schlängelten, fielen mir Veränderungen auf. Der Palast, den
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