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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Leere ab. »Du kannst mich nicht im Stich lassen…«
    »Deine Mutter ist tot.« Ich erhob mich. »Du sprichst mit einer Erinnerung.«
    Er streckte die Hände aus, doch ich hatte einen Schleier des Schattens um mich gezogen, wie ich es vor langer Zeit in Avalon gelernt hatte, und seine Finger schlossen sich um Luft.
    »Mutter!«, schrie er, und dann, leiser: »Meine Mutter ist tot, und ich bin allein!«
    Trotz meiner Entschlossenheit traten mir Tränen in die Augen. Ich wandte mich ab, ein Schatten wich in den Schatten, und eilte aus dem Raum. Während ich durch den Korridor hinkte, hörte ich den Herrn des Imperiums um die Mutter weinen, die er nie wirklich gekannt hatte.

    In dieser Nacht starb Flavia Helena Augusta.
    Mit Hilfe von Cunoarda und der einen oder anderen Dienerin, die wusste, was wirklich mit Crispus und Fausta geschehen war, und uns helfen wollte, wurde Drusas Leiche in mein Bett gelegt und von dort sogleich zur Einbalsamierung gegeben, sobald sich die Kunde über den Tod der Mutter des Kaisers in Rom verbreitete.
    Es war eigenartig, mein eigenes Ableben zu inszenieren, obwohl es die notwendige Voraussetzung für meine Wiederauferstehung war. Ich war erstaunt über die Woge der Trauer, die über die Stadt hinwegrollte, obwohl ich doch wusste, dass die Menschen nicht um mich klagten, sondern um ein Bildnis der Heiligen Helena, das zum größeren Teil von Konstantins Propagandisten erschaffen war. Vielleicht hatte ich in der Stadt ein paar gute Werke getan, doch in dieser Wundertäterin erkannte ich mich nicht wieder.
    Die Luft um den Palast war schwer vom Duft der Blüten, die das Volk vor den Toren aufgehäuft hatte, welche bereits mit Zypressenzweigen zum Zeichen der Trauer behängt waren. In der Tat hieß es, in ganz Rom sei keine Blume mehr zu finden, so viele waren hier und an provisorischen Schreinen überall in der Stadt geopfert worden.
    Bei all dem trauerte Konstantin am meisten. Er tauschte seinen Purpur gegen die weiße Trauerkleidung ein, und sein Gesicht war ausgezehrt vor Qual. Niemand hätte seinen Kummer anzweifeln können, und ich glaubte auch, dass er sich einredete, die verhüllte Leiche in der Kapelle sei wahrhaftig seine Mutter. Selbst wenn ich meine Meinung änderte, gäbe es nun keinen Weg mehr zurück. Ich hatte Konstantin zu sehr verletzt, und er würde dafür sorgen, dass ich bald wirklich tot wäre, sollte ich eine öffentliche Wiederauferstehung versuchen.
    Bischof Sylvester sollte mein Testament vollstrecken, und Cunoarda sollte ihm bei der Verteilung meiner Güter helfen. Ich hatte sie großzügig versorgt, und wir hatten geplant, dass ich in Ostia auf sie warten würde. Doch dann ergriff mich das morbide Verlangen, meine eigenen Trauerfeierlichkeiten anzusehen, und ich versteckte mich in meiner bäuerlichen Verkleidung in den bescheidenen Räumen neben der Kirche der heiligen Marcellinus und Petrus, die ich als Teil meiner Maskierung gemietet hatte.
    Am achten Tag nach meinem »Tod« hielt Bischof Sylvester meine Begräbnismesse. Die große Laterankathedrale war überfüllt, denn alle Persönlichkeiten der Stadt nahmen daran teil, ob sie Christen waren oder nicht. Die Ärmeren, zu denen auch ich gehörte, drängten sich am Eingang. Die großen Tore standen offen, und von drinnen hörte man das Echo der Gesänge. Hin und wieder zog eine Spur Weihrauchduft vorüber. Im Großen und Ganzen war ich jedoch erleichtert, nicht den Lobreden zuhören zu müssen.
    Als es schließlich vorbei war, tauchte der Leichenzug auf, um die Totenbahre aus Zedernholz zum Sarkophag zu tragen, der nicht weit von uns vor der Kirche der Heiligen Marcellinus und Petrus wartete. Konstantin ging der Bahre voraus, barfuss. Seine Söhne begleiteten ihn. Ich sah Cunoarda zwischen den verschleierten Frauen, die hinter ihm hergingen. Die weinende Menge schloss sich ihnen an, und ich ließ mich mit ihnen treiben.
    Ich hatte die christliche Haltung gegenüber Gebeinen nie richtig verstanden. Die heidnischen Römer verabscheuten Verschmutzung und legten Wert darauf, dass ihre Toten vor der Stadt begraben wurden. Die Straßen, die aus jeder römischen Stadt führten, waren von Grabstätten gesäumt. Die Gräber von Helden und Kaisern waren Mausoleen für sich, in denen die Opfer der Pilger sie auf ihrem Weg zur Gottheit voranbrachten. Selbst in Palästina verehrten die Menschen die Gräber der Patriarchen. Die Gräber der Großen verwurzelten das Volk in seinem Land.
    Doch die christlichen Toten wurden in den
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