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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin
Autoren: Aufbau
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wichtigen Leuten hier sollten wir uns lieber wieder siezen, oder was meinst du?«
    Ich ließ es bei der Andeutung des Wangenkusses und nickte kurz.
    »Ich muss nach vorn, die Preise werden gleich vergeben. Treffen wir uns danach wieder hier?«
    Nicken.
    »Hat der Herr Chefredakteur das Sprechen verlernt?«
    Kopfschütteln. »Bis nachher, und flirten
Sie
nicht zu offensichtlich mit dem Juryvorsitzenden.«
    Eine Stunde später hatte Elisabeth ihren Preis in der Hand und ich mittlerweile das vierte Glas Sekt intus. Nachdem sie mit dem Bürgermeister und Laudator Siegfried Lenz fotografiert worden war, kam sie direkt zu mir zurück. Sie trug ein langes, violettes Kleid, dazu eine Perlenkette und keinen BH.
    Leider hatte sich während der Verleihung Ulf Siebert neben mich gestellt, der Politikchef der
Metro-News
, der seinerseits ein junges Talent auf den Festakt begleitet hatte. Sagte er zumindest. Der freie Mitarbeiter war für seine Reportage über Feuerwehrleute, die zu Brandstiftern geworden waren, mit einer lobenden Erwähnung bedacht worden. Elisabeth hatte mir ihren Scheck über 5000 Euro Preisgeld in die Sakkotasche gesteckt.
    Während ich artig die Geschichte, die ich nie gelesen hatte, und die Originalität ihres Autors lobte, dessen Namen ich wieder vergessen habe, verwickelte mein ehemaliger Kollege meine ehemalige Praktikantin in ein Gespräch. Ich konnte nicht hören, was die beiden besprachen, sah nur, dass sich Ulf immer tiefer zu Elisabeth hinunterbeugte und sein Blick nicht auf das ging, was ein Humanmediziner als Augen bezeichnen würde. Das gefiel |252| mir nicht, auch wenn sie einmal zu mir herüberblinzelte und leicht mit den Schultern zuckte, als wolle sie sagen: Was soll ich machen? Der ist jetzt mein Chef.
    Als Elisabeth für ein Radiointerview in einen der Nebenräume verschwand, zog mich Ulf auch noch dicht zu sich heran. Er war von Sekt auf Rotwein umgestiegen und stieß mit mir an, als seien wir seit Jugendzeiten alte Saufkumpane.
    »Mensch, Johann, du großer Chefredakteur, das war echt das Beste, was du uns geben konntest.«
    Bitte was?
    »Ich verstehe nicht ganz. Was habe ich euch denn gegeben?«
    »Na, die Elisabeth. Die ist wirklich eine Granate, viel zu schade für Wützen. Nicht, dass du mich falsch verstehst, Johann, aber die hat bei uns natürlich ganz andere Möglichkeiten.«
    »Aha.«
    Warum hatte ich diesem Lehramtsstudenten ohne Referendariat, der sich seit vier Jahren »politischer Journalist« nannte, bloß jemals das Du angeboten? Ich sah mich nach Elisabeth um, aber die Tür zum Nebenraum blieb geschlossen.
    »Die hat Talent, Johann, Mann, hat die Talent. Nicht nur journalistisch, sondern auch sonst. Ist ein echter Blickfang in unserer Redaktion, die alten Säcke sind gar nicht wiederzuerkennen, selbst der steife Richardsen … Ganz ehrlich und unter uns, Johann: Die Frau ist der Wahnsinn. Sag mal, weißt du eigentlich …«
    Er trank den Rest des Rotweins in einem Schluck aus. Ich starrte ihn an, wie dieser russische Boxer in
Rocky IV
Apollo Creed angesehen hatte, bevor er ihn für ewig k.o. schlug. (»Wenn er tot ist, ist er tot.« Jetzt weiß ich auch wieder, wie der Russe hieß: Ivan Drago.)
    »… ob die Elisabeth einen Freund hat? Auf mich wirkt sie ja eher wie eine, die auf der Suche ist, so freundlich und offen, wie sie zu allen ist, und da dachte ich, na ja, auf einen Versuch könnte man das ja mal ankommen lassen, wir …«
    |253| »Ich glaube …« Er war offenbar noch nicht fertig mit den Sätzen, die ihn längst große Teile seines Unterkiefers gekostet hätten, wenn wir nicht in einem der vornehmsten Hotels Hamburgs gewesen wären. »… wir, also Elisabeth und ich, waren von Anfang an auf einer Wellenlänge. Und neulich waren wir …«
    Ich wollte nichts mehr hören. Ich wollte Ivan Drago sein. »Ich muss dich leider enttäuschen, Ulf. Ich weiß sicher, dass sie einen Freund hat und sehr glücklich ist. Ich glaube, sie hat sogar mal davon erzählt, dass sie ihn heiraten will.«
    »Ehrlich? Auf mich hat sie einen anderen Eindruck gemacht. Außerdem …«
    »Na, die Herren, so allein?« Elisabeth. Sie sah erst mich an, dann Siebert, dann wieder mich. »Sie scheinen sich ja angeregt zu unterhalten.«
    »Wir haben über Sie gesprochen, Elisabeth.« Siebert nahm einer vorbeilaufenden Kellnerin ein Rotweinglas vom Tablett und drückte es Elisabeth in die Hand. Seinen koketten Augenaufschlag hätte er sich sparen können. Ich musste dringend etwas unternehmen.
    »Ihr
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