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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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nicht einen einzigen Moment des Zögerns; ich hebe das Glas und trinke. Mein Körper schreit abwehrend auf, in meiner Kehle würgt es, als ob sich eine Schlinge darumlegen würde, aber mein Wille ist stärker.
    Ich trinke alles aus, bis auf den letzten Tropfen. Dann schaue ich auf. Signora Baglioni steht wie erstarrt im Türrahmen. Ihr Blick wandert zwischen mir und dem leeren Glas in meiner Hand hin und her.
    »Signora Baglioni, bitte entschuldigen Sie die Umstände«, sage ich. Ich muss mich beeilen. Viel Zeit habe ich nicht. »Ich werde gleich sehr krank werden. Wenn das passiert, verabreichen Sie mir bitte Ihre erste Mischung des Mithridats.«
    Sie macht einen Schritt auf mich zu. »Weed – was hast du getan?«
    »Wenn ich mich innerhalb einer Stunde nicht erhole, geben Sie mir bitte das zweite Mittel, und wenn das auch nicht wirkt, das dritte.« Ich zögere kurz. Irgendetwas stimmt nicht mit meinen Augen. Der Raum verzerrt sich und verschwimmt. Meine Hand zuckt zu meiner Stirn. »Wenn es das dritte Mittel ist, sollten Sie mit der Verabreichung nicht zu lange warten. Ich vertraue Ihrem Urteil … was die Zeit angeht …«
    »Du tollkühner Narr!«, schreit sie, reißt mir das Glas aus der Hand und riecht daran. »Was hast du getrunken?«
    Ich muss mich gegen die Wand lehnen. Entweder sinke ich oder der Boden kommt mir entgegen. Mein Bauch ist plötzlich voller Glassplitter. »Eins der drei Mittel wird sehr wahrscheinlich wirken. Ihr Baum hat es mir gesagt. Wir müssen nur herausfinden, welches.«
    »
Wahrscheinlich? Du Idiot!
Du hättest niemals dein Leben riskieren dürfen! Du bist viel zu wertvoll … ohne dich gibt es keine Hoffnung …«
    Das sind die letzten Worte, die ich höre.
    ***
    Der König von England ist nicht so viehisch und brutal, wie er sein könnte, gemessen an der Tatsache, dass jeder noch so beiläufige Wunsch, den er ausspricht, mit der ganzen Wucht des Gesetzes daherkommt. Dafür sollte ich wohl dankbar sein.
    An den meisten Tagen werde ich dazu auserwählt, ihm das Essen zu reichen. Danach tanze oder singe ich für ihn. Wenn er krank ist, hole ich den Nachttopf, damit er sich erbrechen kann. Ich wasche sein Gesicht mit einem kühlen, feuchten Tuch, als ob er ein sieches Kind wäre, und sage ihm, dass er sich in einem oder zwei Tagen besser fühlen wird.
    Ich bin eins von unzähligen königlichen Dienstmädchen, aber ich hatte Anweisung, dafür zu sorgen, dass ich die Magd werde, die er am liebsten um sich hat. Das ist mir gelungen. Es war nicht schwer. Er mag zwar der König sein, aber er ist auch bloß ein Mann. Meine Freigiebigkeit in allen Dingen hat dazu geführt, dass er meine Anwesenheit jederzeit willkommen heißt, und ein paar Tropfen meines eigenen Aphrodisiakums garantieren mir, dass er mich allen anderen vorzieht.
    Wenn er mich auffordert, nach dem Essen noch zu bleiben, gehorche ich. Wenn wir allein sind, täusche ich gerade so viel Prüderie vor, um seine Leidenschaft zu erwecken. Wenn er das Verlangen hat, eine Rebellion niederzuschlagen, dann wehre ich mich. Aber er bleibt immer siegreich, denn er ist der König, der Geliebte seines Volkes, der von Gott gesalbte Herrscher und Oberhaupt der Kirche von England.
    In zwei Tagen werde ich ihn kaltblütig ermorden.
    Nicht hier, in seinen Privatgemächern an Bord des Schiffes, wo es ganz einfach wäre. Nein. Ich habe die Anweisung, dass es in der Öffentlichkeit geschehen muss, vor dem versammelten englischen Hof und vor den Augen ganz Europas, auf dass der Wille meines Herrn die Herzen der mächtigsten Männer der Welt in Angst und Schrecken versetze.
    Endlich kenne ich den wahren Preis meines Handels mit Oleander. Wenn ich meine Aufgabe erfolgreich durchführe, werde ich danach sofort getötet. Wenn ich versage, erwartet mich dasselbe Schicksal. Meine neuen Freunde von der Gesellschaft der Skorpione haben daran keinen Zweifel gelassen.
    Wie auch immer, ich werde meine letzten Tage auf Erden im schwankenden Bauch eines Schiffes verbringen, wo sich mir der Magen minütlich umdreht, als verräterische Bettgenossin eines seekranken Königs. Ich würde lachen oder weinen oder über Bord springen, wenn das Laudanum nicht wäre.
    Und Oleander. Ist es töricht, wenn ich so empfinde? Ich weiß, dass er mein Untergang ist, mein Mörder, und doch ist er der einzige Freund, der mir geblieben ist. Seine körperlose Gegenwart ist für mich ein Fels in der Brandung geworden. Seine beständige Zuwendung ist alles, was mich davon abhält,
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