Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
einigermaßen wieder, aber er blieb trotzdem in einem gewissen Fieber, und dies hielt auch noch an, als der schreckliche Moment bereits vorüber war. Vielleicht lag es auch daran, daß er gleich nach seinem Hoch ein großes Glas herben Ungar heruntergestürzt hatte. Nach dem Kaffee überfiel ihn ein Schwindel. Es ging aber wieder vorüber, und in bester Laune brach er schließlich auf. Die Sterne funkelten; es war schon herbstlich frisch, und er fröstelte. »Höre, Johann«, sagte er, »hast du nicht eine Zudecke?«
    »Nein, Herr General; ich werde aber meinen Mantel ausziehen.«
    Aber da kam er schön an. »Unsinn, Menschen Rock vom Leibe ziehen; ich, ein Poggenpuhl.« Und in solchen Ausrufungen sprach er noch eine Weile weiter.
    Es war ein Uhr, als er in die Dorfgasse einfuhr. Im Schlosse war noch ein alter Diener auf, ebenso Sophie. Die sah schon auf dem Flur, wie verändert er war. »Onkel, du frierst so, soll ich noch einen Tee machen oder eine Stürze?«
    »Unsinn. General Poggenpuhl ...«
    Es klang so sonderbar, und Johann sagte zu Sophie: »Gott, Fräulein, so sagt er schon immerzu. Ich glaube, er ist sehr krank.«
     
    Er war sehr krank. Doktor Nitsche, der am andern Morgen gerufen wurde, bemerkte zu der Tante: »Gnädige Frau, wir müssen nasse Tücher aufhängen und ein mattes Licht und vollkommene Ruhe«; zu Sophie aber sagte er: »Typhus, mein gnädiges Fräulein.«
    »Wird er wieder?«
    Er zuckte die Achseln.
     
Dreizehntes Kapitel
     
    Die Befürchtungen erfüllten sich schnell. Sophie, die trotz Widerspruch des Arztes die Pflege leitete, schrieb jeden Abend eine Karte nach Haus, in der sie – schon der Tante halber, die die Zeilen vielleicht lesen mochte – zunächst immer nur betonte, »daß noch keine Gefahr sei«. Sie war aber nur zu sehr da, und den siebenten Tag nach Beginn der Krankheit traf ein Brief bei der Mama ein, der dahin lautete:
    »Heute mittag ist Onkel Eberhard gestorben; während der Nacht war er noch in großer Unruhe, dann fiel er im Laufe des Vormittags in einen apathischen Zustand, und kurz vor zwölf ist er eingeschlafen. Von Anfang an war wenig Hoffnung, weniger, als ich Dir aussprechen mochte. Ich habe viel an ihm verloren, aber nicht ich nur; wir werden ihn alle sehr vermissen, vielleicht Wendelin ausgenommen, der seinen Weg auch so macht. Über manches, was diese Tage mich sonst noch erleben ließen, mündlich ausführlicher. Ich freue mich, Euch alle wiederzusehen, vor allem Dich, meine liebe gute Mama. Daß Ihr kommt, nehme ich als sicher an. Die Tante wünscht es dringend, und ich glaube, wir müssen ihre Wünsche respektieren. Erst aus Klugheit und dann, weil sie's so sehr verdient. Das Beigeschlossene bittet sie freundlichst aus ihrer Hand annehmen zu wollen und hofft, daß es ausreichen werde, die Reise sowie alles übrige zu bestreiten. Was
ich
brauche, wird aus Breslau kommen. Ihr werdet am besten übermorgen abend abreisen. Dann seid Ihr am zwölften in aller Frühe hier. In der Mittagsstunde soll die Beisetzung erfolgen.
    Deine Sophie«
     
    Die Gefühlsbewegung, als Manon diesen Brief vorgelesen hatte, war bei den drei Damen eine nicht geringe, bewegte sich aber doch nach sehr verschiedenen Seiten hin. Die Mutter hing ganz einer herzlichen Trauer nach, die noch reiner gewesen wäre, wenn sich nicht manche bange Zukunftssorge mit eingemischt hätte; Manon, trotz aller Verehrung und Liebe für den Onkel, empfand es schmerzlich, einer gerade für den zwölften bei Bartensteins angesetzten Soiree nicht beiwohnen zu können, während sich Therese nur von einer Vorstellung beherrscht fühlte: von dem Gedanken an das ihr lediglich als eine Haupt- und Staatsaktion erscheinende Begräbnis. Sie sah sich nicht nur bereits in der vordersten Reihe der Leidtragenden, sondern lebte auch ganz dem Hochgefühle, daß die Repräsentation der Poggenpuhlschen Familie – die beiden alten Damen, als nur angeheiratete, zählten kaum mit – einzig und allein auf ihr beruhe. Dies Hochgefühl sah sich allerdings durch den dem Briefe beigelegten Tausendmarkschein auf Augenblicke beeinträchtigt, aber die Vorzüge lagen andrerseits auch wieder so klar zutage, daß das Bedrückliche schnell hinschwand, besonders nachdem man sich untereinander dahin geeinigt hatte, daß Therese in die Stadt fahren und dort die Trauergarderobe besorgen solle. Nächst dem Begräbnis selbst erschien allen dieser Besuch in einem Trauermagazin als der bedeutungsvollste Moment, und die Miene, mit der sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher