Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
und weiße Markt-Astern. Einige davon waren für den Hochkircher bestimmt gewesen, und zwar zum Einstecken hinter den Rahmen; aber Friederike hatte wieder Abstand davon genommen mit der Bemerkung: »Den kenn ich; wenn man ihn anrührt, fällt er.«
    »Na, leben tust du ja noch«, sagte die Majorin, als ihr Friederike dienstbeflissen den Mantel abnahm. »Hast du auch nicht zu sehr gespart? Das mußt du nicht. Und immer bloß Nachguß; dabei kannst du nicht gedeihen.«
    »Ach, ich gedeihe schon, gnäd'ge Frau.«
    »Na, wenn es nur wahr ist. Aber nun bringe uns Kaffee. Die Tassen stehen ja schon. Ein bißchen ausgefroren bin ich doch; die eine Dame riß immer alles auf.«
    »Ja, das tut man jetzt, Mama«, sagte Therese.
    »Ich weiß, man tut es jetzt. Und es mag auch gut sein, aber nicht für jeden. Wer Rheumatismus hat...«
    Sophie hatte sich's inzwischen auch bequem gemacht und warf sich mit einem gewissen Behagen in die Sofaecke, erst das Zimmer und dann all die alten Kleinigkeiten musternd, die umher standen und lagen und die sie hundertmal in Händen gehabt hatte.
    »Komm, Mama, du mußt dich hier neben mich setzen, oder ich rücke weiter hin, denn dies ist ja deine Ecke. Gott, wenn ich mich hier so umsehe. Eigentlich ist es doch ganz hübsch bei euch.«
    »Du könntest sagen bei uns«, sagte Therese.
    »Gewiß, gewiß. Ich gehöre ja zu euch und werde immer zu euch gehören. Aber die lange Zeit. Dreiviertel Jahr oder doch beinah. Und dann soll ich ja auch wieder zurück.«
    »Und willst auch? Und willst es auch gern?«
    »Natürlich. Es ist ja abgemacht. Und wenn es auch nicht abgemacht wäre, ich bin gern in Adamsdorf und gern bei der Tante.«
    »Wer wär es nicht«, sagte Therese. »Der Park und die Gruft, darin nun der General, unser Onkel, ruht. Dahin zieht es wohl jeden. Und diese Frau, der ich viel abbitten muß, ich hielt sie für befangen in Bürgerlichkeit, aber sie hat ganz die Formen der vornehmen Welt. Es ist schade, daß sich dieser Umwandlungsprozeß so selten vollzieht.«
    Sophie und Manon warfen der Schwester Blicke zu mit der offenbaren Absicht, sie von dem heiklen Thema abzubringen. Aber so gut gemeint dies war, so war es doch nicht nötig, weil die Mama nichts von Bitterkeit dabei empfand. Sie lächelte nur wehmutig vor sich hin mit jener stillen Überlegenheit, die das Leben und das Bewußtsein gibt, die Kämpfe des Lebens ehrlich durchgefochten zu haben. »Ach, meine liebe vornehme Tochter«, sagte sie, »was du da wieder sprichst.«
    »Ich habe dich nicht kränken wollen, Mama.«
    »Weiß ich. Und es kränkt mich auch nicht. Ich hatte auch mal mein Selbstgefühl und meinen Stolz, aber all das hat das Leben zerrieben und mich mürbe gemacht... Das mit der Tante, ja, da hast du recht, das ist eine vorzügliche Frau und, wenn du's so haben willst, auch eine adlige Frau. Das hab ich immer gewußt, und seit diesen Tagen weiß ich es noch besser. Aber das alles – und es ist hart, daß ich das meiner eigenen Tochter immer wieder versichern muß, während sie's doch wissen könnte, auch ohne meine Versicherung –, aber das alles hätte das Leben auch aus mir machen können. Es hat es nur nicht gewollt. In einem Schlosse zu Hause zu sein und Hunderte beglücken und dann durch Entziehung von Glück auch mal wieder strafen zu können, das alles ist eine andre Lebensschule, wie wenn man nach Herrn Nebelungs Augen sehen und sich um seine Gunst bewerben muß. Ich habe nur sorgen und entbehren gelernt. Das ist
meine
Schule gewesen. Viel Vornehmes ist dabei nicht herausgekommen, nur Demut. Aber Gott verzeih es mir, wenn ich etwas Unrechtes damit sage, die Demut, wenn sie recht und echt ist, ist vielleicht auch eine Eigenschaft, die sich unter dem Adel sehen lassen kann.«
    Sophie glitt leise von dem Sofa nieder auf ihre Knie und bedeckte die Hände der alten Frau mit Tränen und Küssen. »Das kannst du nicht verantworten, Therese«, sagte Manon und trat ans Fenster.
    Therese selbst aber ließ ihr Auge ruhig über die über der Sofalehne hängende »Ahnengalerie« hingleiten, und ihr Auge schien sagen zu wollen: »Ihr seid Zeugen, daß ich nicht mehr gesagt, als ich sagen durfte.« Dann aber kam ihr ein zweites, besseres Gefühl, und sie lieh ihm auch Worte. »Verzeih, Mama«, sagte sie. »Es kann sein, daß ich unrecht habe.«
     
    Es lag nicht im Charakter der Familie, den Verstimmungen über eine derartige Szene Dauer zu geben. Die Mutter hatte Schwereres tragen gelernt und war jeden Augenblick zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher