Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Therese war ganz hingenommen davon, und als die Berglinien immer schärfer und klarer hervortraten, deutete sie darauf hin und sagte, sich von ihrem Sitz erhebend: »Das also ist das Riesengebirge?«
    Johann, an den sich diese Frage richtete, fand sich in dem ungewohnten Worte nicht gleich zurecht und sagte deshalb: »Ja, da links, das ist die Koppe.«
    »Die Schneekoppe?«
    »Ja, die Koppe.«
    Manon amüsierte sich, daß der Kutscher auf das Bildungsdeutsch ihrer älteren Schwester nicht recht eingehen wollte, während Therese selbst ihrer Lieblingsvorstellung von der Volkbeschränkung behaglich nachhing.
    Es war gerade sechs, als der Wagen vor Schloß Adamsdorf hielt. Ein Diener half den Damen beim Aussteigen, und gleich nach ihm erschien Sophie, die sichtlich erfreut war, alle drei wiederzusehen, Therese mit eingeschlossen, trotzdem diese sich etwas reserviert zeigte. Sie fand nämlich den Empfang anders als erwartet und vermißte namentlich die Tante.
    »Wo ist die Tante?« fragte sie. »Doch nicht krank?«
    »Nein, nicht krank«, erwiderte Sophie, die sofort erriet, was in Theresens Seele vorging. »Die letzten Tage waren so schwere Tage. Da will sie sich ausruhen, solange es irgend geht. Sie hat mich gebeten, sie zu entschuldigen.«
    »Arme Verwandte«, sagte Therese mit halblauter Stimme vor sich hin.
    Danach stiegen alle die breite Treppe hinauf in den ersten Stock, wo zwei Fremdenzimmer hergerichtet waren, ein großes und ein kleines, beide nebeneinander und die Zwischentür auf, nur durch eine schwere Portiere geschlossen. In dem großen Zimmer sollte die Mama mit Manon schlafen, in dem kleineren Therese. Die Auszeichnung, die darin lag, söhnte diese halb wieder aus.
    »Und nun könnt ihr euch«, sagte Sophie, »noch volle zwei Stunden ausruhen. Oder soll ich euch gleich ein Frühstück aufs Zimmer schicken, und ihr geht dann im Park spazieren, bis die Tante kommt? Es ist am schönsten des Morgens.«
    Manon und die Mama schienen auch wirklich zu schwanken, namentlich erstere, die von »Morgenspaziergängen im Park« eine hohe Vorstellung hatte. Therese hielt es aber für unklug, diese Dinge zu sehr zu betonen und zu tun, als ob man dergleichen noch nie gesehen habe; die Güter in Pommern, die sie kannte, hatten doch schließlich auch ihre Paris, und so sagte sie denn, es wurde wohl das beste sein, dem Beispiel der Tante zu folgen und für das, was der Tag noch alles bringen müsse, nach Möglichkeit Kräfte zu sammeln.
     
Vierzehntes Kapitel
     
    Um halb neun erschienen die Damen unten in der großen Halle, darin ein Feuer brannte, trotzdem die Luft draußen beinahe sommerlich war. Die Tante begrüßte die Verwandtschaft herzlich und zugleich mit einem so vornehmen Anstand, daß Therese ziemlich verwundert war. Damals, in Pyrmont, hatte die Generalin einen sehr bürgerlichen Eindruck auf sie gemacht, woraus alle Meinungsverschiedenheiten und kleinen Häkeleien entstanden waren. Und jetzt nun so ganz anders. War es das Gefühl, hier in Adamsdorf auf der eigenen Scholle zu sein? Oder war es einfach der Schmerz, der sie geadelt hatte? Sie entschied sich für den Schmerz.
    Ihr Beisammensein beim Frühstück währte nicht lange; waren doch nur noch wenige Stunden bis zum Begräbnis, und der Adel aus der Nachbarschaft erschien sehr wahrscheinlich um ein gut Teil früher. Die Mama fragte, ob sie den Schwager noch einmal sehen könne, was verneint wurde; der Sarg sei schon geschlossen. Manon und Therese drückten ihre Trauer darüber aus, waren aber eigentlich froh und fanden Trost in der Wendung, »er lebt so in einem lichteren Bilde in uns fort«.
    Schon um zehn füllte sich der Platz vor dem Schloß mit Leuten aus dem Dorf; die Alten, Männer wie Frauen, waren ernst und bewegt, denn sie hatten den General geliebt und verehrt, das junge Volk aber war mehr oder weniger in Kirmesstimmung und kicherte sich sehr Irdisches ins Ohr. Um elf kamen die Equipagen, eine halbe Stunde später die beiden Geistlichen aus dem Dorf (auch der katholische), und um zwölf setzte sich der Zug unter Gesang in Bewegung, bis in die Kirche. Hier sprach der Geistliche; nach ihm, in privater Eigenschaft, auch der alte katholische Pfarrer, »der nur dem Dank für die schöne Gerechtigkeit Worte leihen wolle, die den verehrten Toten ausgezeichnet habe« – danach noch die Einsegnung, und der Sarg senkte sich in die Kirchengruft. Therese hatte ein schmerzliches Gefühl, daß ein Poggenpuhl ausersehen sei, so zwischen den Särgen einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher