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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
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fremden Familie zu liegen, und ihre Haltung, die durch Ernst auffiel, gab diesem Gefühle Ausdruck. Einige billigten es; andre aber – Schlesische von Adel – fanden es etwas albern und flüsterten sich zu: »Pommerscher Junkerhochmut«. Denn die Schlesier haben keine Junker. Oder wenigstens keine ganz echten.
    Alle waren übrigens mit der Feier zufrieden, einen Kirchenältesten ausgenommen, der nicht darüber weg konnte, daß auch der »alte Katholsche« gesprochen habe. Das ginge nicht. Wenn man das einreißen lasse, so setze man sich in die Nesseln und die »Simonie« sei fertig. Was er darunter eigentlich verstand, konnte nicht aufgeklärt werden.
     
    Gleich nach der Feier in der Kirche wurde ein Imbiß genommen, Mittagstafel fiel aus, und als die Gäste wieder fort waren, zogen sich die beiden alten Damen, die Generalin und die Majorin, in ihre Zimmer zurück. Sie bedurften der Ruhe, wollten allein sein. Sophie hatte noch in der Wirtschaft zu tun, und so blieben nur Manon und Therese, die sich alsbald zu einem Spaziergange an dem von einem Wässerchen umzogenen Außenrande des Parkes hin entschlossen. Es mochte gegen vier Uhr sein, die Sonne neigte sich schon und schien durch hohe Silberpappeln. Kein Lüftchen ging, alles still, nur von einer benachbarten Schmiede her hörte man ein Hämmern und Pinken und ganz zuletzt, als man weiter und schon bis in die Nähe der Felder gekommen war, auch das Dengeln der Sense; weiße Birkenbrücken führten über das Wässerchen hinüber, und an einzelnen Stellen machte der Laubengang kleine Nischen und Buchtungen, in denen Bänke standen. Die Vögel sangen nicht mehr, aber ein Eichhörnchen sprang über den Weg. Therese gab ihre kritische Laune ganz auf und fand sich gemüßigt, anerkennende Äußerungen über den schlesischen Adel einzustreuen. »Es ist alles reicher hier«, sagte sie, »man fühlt es den Dingen ab, daß niemand ans Sparen dachte. Bei uns denkt man immer daran, auch die, die's nicht nötig haben. Sieh diese Bank. Alles Granit und mit Sandstein eingefaßt. Bei uns wäre sie von Holz.«
    Manon fand es eigentlich auch. Aber die Hauptunterhaltungsform zwischen den Poggenpuhlschen Schwestern war die, daß eine der andern widersprach. Und so sagte sie denn: »Du kannst nie Maß halten, Therese. Wie wir ankamen, mißfiel dir alles, und nun findest du wieder alles schön und reich und uns überlegen. Ich kann es nicht finden; ich finde den Tiergarten viel schöner.«
    »Wie du nur so was sagen kannst, und alles bloß aus Widerspruch. Der Tiergarten, nun meinetwegen, der kann passieren; aber er ist doch etwas Öffentliches, und was öffentlich ist, ist immer gewöhnlich. Und vieles, was man im Tiergarten sieht, ist geradezu zynisch.«
    »Zynisch?«
    »Ja. Man sieht Statuen und Reliefs, die das Zynische rücksichtslos herauskehren. Ich wähle diesen Ausdruck absichtlich. Es ist das eben die Vorliebe für das Natürliche, das die moderne Kunst als ihr gutes Recht ansieht; ich glaube aber umgekehrt, daß die Kunst verhüllen soll. Indessen dies alles mag auf sich beruhen, ich will davon nicht sprechen; als ich vorhin mit Vorbedacht das Wort zynisch gebrauchte, dachte ich vielmehr an die lebendigen Bilder und Szenen, an die Menschen also, die man dort findet. Auf jeder Bank sitzt ein Paar und verletzt durch seine Haltung. Und wenn man endlich wo Platz nehmen will, an einer Stelle, wo sich zufällig kein Paar befindet, so kann man es auch nicht, weil man nie weiß, wer vorher da gesessen hat. Gerade im Tiergarten soll es so furchtbare Menschen geben.«
    »Ich setze mich immer da, wo Kinder spielen.«
    »Das solltest du nicht tun, Manon. Man ist auch da nicht sicher, oft da am wenigsten. Und jedenfalls fehlt allem der Zauber des Unberührten; hier weiß ich, ich atme eine reine Luft. Sich doch, wie das da plätschert; bei uns ist alles trübe Lache.«
    Therese sprach noch weiter in dieser Richtung und verstieg sich dabei bis zu hoher Anerkennung der Tante. »Sophie hat uns nicht zuviel geschrieben, eine Frau, in der alles Frühere bis auf den letzten Rest getilgt ist. Es ist nicht jedem beschieden, dies von sich sagen zu können. Wenn ich da an Mama denke...«
    »Du solltest nichts gegen Mama sagen. Mama ist gut und mußte viel tragen und hat es. Das kann auch nicht jeder.«
    Erst beim Tee sahen sich alle wieder. Manon sprach über die Gäste, über einzelne Vorkommnisse, zuletzt auch über die Predigt. Der Geistliche hatte viel von Auferstehung gesprochen, und die
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