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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
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ältere Schwester zu dieser Fahrt anschickte, hatte etwas so ausgesprochen Distinguiertes, daß selbst Manon davon berührt und zu einer Art Huldigung hingerissen wurde.
    Dieses Gefühl machte freilich rasch einer entgegengesetzten Empfindung Platz, als Therese von ihrer Fahrt zurückkehrte. Die Kleider, so berichtete sie, würden bis morgen früh geliefert werden, kleine Änderungen seien leicht zu bewerkstelligen; alles andre aber habe sie gleich erstanden und in einem großen Karton mitgebracht. Es waren dies Krepphüte, lange schwarze Schleier und drei Trauerhauben mit einer tiefen Stirnschnebbe.
    »Gehst du davon aus«, sagte Manon, »daß wir diese Hauben mit Schnebbe wirklich tragen sollen?«
    »Eine sonderbare Frage.«
    »Das heißt also ›ja‹?«
    Therese nickte.
    »Nun, dann erlaube mir, dir zu sagen, daß ich mich davon ausschließen werde.«
    »Das wirst du nicht. An solchem Tage wenigstens wirst du dich auf das besinnen, was du deinem Namen schuldig bist.«
    »Ich weiß, was ich meinem Namen schuldig bin.«
    »Und das wäre?«
    »Wenn es sein kann, nicht ins Ridiküle zu fallen.«
    »Was in deinen Augen worin besteht?«
    »... Uns à tout prix als Königinwitwe herauszustaffieren. Wir sind einfach die Nichten eines alten Generals.«
    »Des Generals von Poggenpuhl. Ich wenigstens stehe in der alten guten Tradition.«
    »Aber nicht in der des guten Geschmacks.«
    Man erhitzte sich immer mehr; zuletzt sollte die Mama entscheiden. Diese lehnte das aber ab. »Ich bin nicht bewandert genug in derlei Fragen und weiß nicht, ob es paßt oder ob es zuviel ist. Ich denke mir, wir nehmen die Kartons mit und richten uns nach dem Ausspruch der Tante.«
    Dies fand Zustimmung, und als am andern Morgen die gleich »wie angegossen« sitzenden Kleider erschienen, wurde vor dem langen schmalen Spiegel, in dem man sich gemustert und gegenseitig befriedigend gefunden hatte, der schwesterliche Friede neu besiegelt.
    »Er war doch ein herrlicher Mann«, sagte Manon.
    »Das war er, und sein Andenken sei gesegnet. Aus meinem Herzen kann sein Bild nie wieder schwinden.«
     
    Um zehn Uhr ging der Nachtzug, vom Friedrichsstraßenbahnhof aus, ab. Schon vor neun stand man in voller Reisetoilette da, bei der Manon, die sehr gut aussah, auf einen zufällig vorhandenen Krimstecher nur ungern verzichtet hatte. Sie sagte sich aber, daß es »stillos« sein würde (stillos war eine Lieblingswendung Floras), und als sie dies erlösende Wort gefunden hatte, wurde ihr der Verzicht auch leichter. Friederike befand sich mit im Vorzimmer, um zu helfen, wenn die Mäntel umgenommen werden sollten; es war aber immer noch viel zu früh, und man kam in Verlegenheit, wie die Zeit hinzubringen sei. Das benutzte die Majorin, um noch eindringlich eine Rede zu halten.
    »Ich kann dir nur sagen, Friederike, sei vorsichtig und denke daran, was alles vorkommt. Erst gestern stand wieder was drin.«
    »Ich weiß ja, gnäd'ge Frau. Aber man is doch auch kein Kind mehr.«
    »Und wenn es klingelt, mache nicht gleich auf und schiebe dir lieber erst eine Fußbank ran, daß du durchs Oberfenster sehen kannst, wer eigentlich draußen ist...«
    »Ja, gnäd'ge Frau.«
    »Und wenn du aufmachst, immer noch die Kette vor und immer bloß durch die Ritze... Neulich ist erst wieder eine Witwe totgemacht worden, und wenn du gleich alles aufreißt, kann es dir auch passieren, oder sie streuen dir Schnupftabak in die Augen, oder sie haben auch einen Knebel, und du kannst nicht mal schreien. Und dann rauben sie alles aus...«
    »Ach Gott, gnäd'ge Frau, die wissen ja immer gut Bescheid, hier kommen sie nicht.«
    »Sage das nicht. Die denken auch, wer das Kleine nicht ehrt, ist des Großen nicht wert. Immer besser bewahrt als beklagt!«
    Friederike versprach alles, und nun trennte man sich.
    Eine Droschke – die Portierfrau hatte sich dazu verstanden, eine von der Ecke her herbeizuholen – hielt schon vor der Tür, und nach nochmaligem Abschied von Friederike ging es auf die Potsdamer Straße zu.
     
    Morgens gleich nach fünf kam der Zug in Schmiedeberg an, von dem aus es nur eine kleine Stunde bis Adamsdorf war. Johann hielt in einem offenen Wagen am Bahnhofe; der große Koffer kam nach vorn, die alte Majorin in den Fond, ebenso Therese; Manon dagegen saß auf dem Rücksitz und freute sich über das Landschaftsbild. Die Sonne war noch nicht auf, die Berge ringsum aber röteten sich schon, und dazu ging eine frische Luft. Alles versprach einen schönen Herbsttag.
    Auch
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