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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat
Autoren: Christa S. Lotz
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Religionen«,sagte der Prior. »Ich würde vorschlagen, die Menora zu reinigen und als Mahnmal in unserer Kirche aufzustellen.«
    »Aber sie gehörte ursprünglich den Juden«, gab Teresa zu bedenken. »Bis die Römer sie raubten und sie durch die Vandalen und Sarazenen zurück nach Jerusalem kam.«
    »Habt Ihr einen besseren Vorschlag?«, fragte der Prior.
    »Eigentlich müsste sie Jungfer von Wildenberg gehören«, meinte Hugo. »Schließlich hat ihr Vorfahre sie aus Jerusalem hierher gebracht.«
    »Aber es war kein Recht, was damals geschah«, protestierte Teresa. »Ich wüsste gar nicht, wo ich sie aufstellen sollte. Ihren Zauber hat sie schon lange auf mich ausgeübt. Ich bin jemand anderes als diejenige, die sich vor Monaten aufmachte, um sie zu suchen.«
    »Ich habe einen Einfall«, sagte Markus. »Wie wäre es, wenn wir den Rabbi aufsuchen würden, den Vorstand unserer kleinen jüdischen Gemeinde, und ihn um Rat fragen?«
    »Meint Ihr, ein Gegenstand – noch dazu von so hohem Wert – gehöre immer dem, der ihn ursprünglich einmal besessen hat?«, warf Hugo ein. »Wenn es so schwierig ist, dieses Frage zu klären, warum vergraben wir sie nicht wieder dort, wo sie war? Zusammen mit dem Abt, dann ist er mit ihr in aller Ewigkeit verbunden.«
    Der Prior bekreuzigte sich bei dieser Vorstellung. »Nein, das wäre auch nicht der richtige Weg. Den Abt können wir allerdings schon dort begraben, in geweihter Erde soll er nicht ruhen.«
    »In der Kammer liegen die Gebeine meiner Vorfahren, von Friedrich und Albrecht von Wildenberg«, gab Teresa zu bedenken.
    »Das kann ich bestätigen«, sagte der Infirmarius. »Heute Morgen in aller Frühe bin ich hin, habe die Werkzeuge gefunden, die Mauernische gänzlich abgetragen und die Gebeine untersucht. Sie weisen sowohl Schlag- als auch Würgespuren auf.«
    »Kann man das nach so langer Zeit feststellen?«, wunderte sich Markus.
    »Ja, das ist durchaus möglich. Beim Würgen bricht das Zungenbein. Offensichtlich hat der eine – wer es war, konnte ich nichtmehr unterscheiden – dem anderen einen so schweren Schlag mit einem scharfen Gegenstand, einer Axt vielleicht, auf den Kopf versetzt, dass er später an einem Schädelbruch starb. Das hinderte ihn aber nicht daran, seinen Bruder, während er starb, zu erwürgen.«
    Teresa schauderte es trotz des warmen Tages. Das war also das Ende ihrer Vorfahren gewesen, war das Ende dieser Geschichte. Aber noch war nicht alles zu Ende.
    »Wir gehen gleich zu dem Rabbi und fragen ihn«, entschied der Prior.

39.
    Zu den Aufgaben eines Rabbiners zähle die religiöse Lehre, meinte Markus an Teresa gewandt, während sie durch das Dorf zu dem Haus des Rabbis hinübergingen. Und als Talmudkenner komme ihm die Entscheidung in religiösen Fragen zu. Der Rabbi Moshe Seraim allerdings sei schon sehr alt und ziemlich krank, so dass er sein Amt wohl nicht mehr ausübe. Er werde sicher erfreut sein über das Wiederauffinden der Menora, meinte Teresa.
    Eine Haushälterin empfing die Abordnung aus dem Kloster. Der Rabbi saß in einem bequemen Stuhl inmitten seiner Wohnstube. Er war sehr mager, in einen weiten Umhang gehüllt, auf dem Kopf trug er ein schwarzes Käppchen. Seine Züge, die von einem silbergrauen Bart umrahmt waren, wirkten eingefallen, aber seine Augen blitzten den Besuchern wachsam und klug entgegen.
    »Welch Glanz in meinem bescheidenen Haus«, sagte er mit fester, warmer Stimme. »Ihr kommt vom Kloster herüber, oder irre ich mich? Ich habe die Schüsse gehört gestern Nacht, auch das Schreien, das Rumpeln des Wagens und das Geklapper der Pferdehufe. Es wurde ein bedeutender Fund gemacht, nicht wahr?«
    »Woher wisst Ihr …?«, begann Teresa.
    »Ich weiß im Grunde gar nichts. Aber wenn so viel Aufhebens gemacht wird einer Sache wegen, dann kann es sich nur um die Menora handeln, die wieder aufgetaucht ist.«
    Teresa sperrte vor Staunen den Mund auf, die anderen sahen genauso überrascht aus.
    »Wie konntet Ihr das wissen?«, fragte sie.
    »Wie gesagt, ich wusste es nicht, mir war nur bekannt, dass es einen solchen Kandelaber hier einmal gegeben haben soll, und schon damals vermutete ich, dass es die Menora gewesen sein musste.«
    »Sie war im Grab meiner Vorfahren, in einer Kammer unter der Klostermauer«, sagte Teresa.
    »Die Schreiber der Zeit nach den Kreuzzügen«, fuhr Seraim fort, »haben damit ein Stück Geschichte gefälscht, indem sie behaupteten, die Menora sei verschwunden, beziehungsweise sie erwähnten ihren Namen
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