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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat
Autoren: Christa S. Lotz
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gar nicht. Was einmal endgültig verschwunden war, sollte auch nicht mehr auftauchen und vor allem auch niemandem gehören. So hat dieses Grab sein Geheimnis bis auf den gestrigen Tag bewahrt.«
    »Was wisst Ihr über das Schicksal der Menora?«, fragte Markus.
    Moshe Seraim zupfte an seinem Bart. »Da muss ich weit ausholen. Nachdem die Römer im Jahre 70 die Menora und andere Schätze aus dem salomonischen Tempel geraubt hatten, wurden sie im Triumph durch Rom getragen und in dem neugeschaffenen Friedenstempel verwahrt. Jahrhunderte später kamen die Westgoten nach Rom, nahmen es ein und plünderten die Stadt. Dabei fiel ihnen der Schaubrottisch der Juden in die Hände. Die Menora wurde nicht mehr erwähnt. Aber möglicherweise befand sie sich noch in der Stadt, als diese 45 Jahre später noch einmal geplündert wurde, diesmal von den Vandalen. Der byzantinische Chronist Prokop schildert diese Plünderung und erwähnt, dass die Vandalen die verbliebenen Schätze der Israeliten mit sich nahmen. Damit kam möglicherweise auch die Menora nach Karthago, wo sich die germanischen Vandalen inzwischen niedergelassen hatten. Auf welchen Wegen sie dann zurück nach Jerusalem kam, ist mir unbekannt.«
    »Ab dem Jahr 647 stießen die Araber nach Nordafrika vor«, sagte Markus. »698 fiel es endgültig an die Muslime und wurde völlig zerstört. Auf diesem Weg könnte die Menora auch ins Heilige Land gekommen sein, spätestens in der Zeit vor dem ersten Kreuzzug 1096.«
    »Nun wollt ihr mich fragen, was wir mit diesem Schatz machen sollen, nicht wahr?«, fragte der Rabbi. »Er gehört eigentlich in den Tempel des Salomon in Jerusalem. Da der aber zerstört ist und eindritter Tempel nicht erbaut werden kann, werden wir uns eine andere Lösung ausdenken müssen.«
    »Habt Ihr eine, verehrter Herr Rabbi?«, fragte der Prior.
    »Ich möchte zunächst einmal zusammenfassen, was ich über Reliquien und ihre Bedeutung für die Gläubigen – welcher Religion auch immer – weiß und was ich davon halte. Jedes Volk, also auch jede Religionsgemeinschaft braucht Bilder und Schriften, mit denen sie sich gleichsetzen können. Die Reliquie, das Kreuz, die Menora oder das heilige Band des Islam, mit dem Mohammed in die Schlacht geritten ist, symbolisieren diese Einheit. In der Bibel wird berichtet, dass der Turmbau zu Babel die Sprachen der Menschen verwirrte und sie zu Völkern auf der ganzen Welt auseinanderfielen. Von da an verstanden sie sich nicht mehr, und so kam es zu Befeindungen und Kriegen.«
    Die Haushälterin kam herein, brachte auf einem Tablett Gebäck und Bier. Nachdem sich alle bedient hatten, fuhr Moshe Seraim fort: »Im Judentum, insbesondere in den Schriften des Alten Testaments, hat die Sieben eine überragende Bedeutung. Es beginnt mit der siebentägigen Schöpfungsgeschichte. Bei uns ist der Sabbat der siebte Tag der Woche, bei Euch der Sonntag. Der Heilige Leuchter hat sieben Arme, sie sind ein Symbol für die Erleuchtung. Das Licht in der Mitte des Leuchters ist das Zentrum des Glaubens und der Wahrheit, die Arme weisen in die vier Himmelsrichtungen sowie nach oben und nach unten. In unserem Denken steht die Zahl Sieben für die Weisheit Gottes, für etwas, das sich in vollkommener Übereinstimmung mit Gottes Ratschluss befindet.«
    »Bei uns Christen ist das ganz ähnlich«, meldete sich der Prior mit vor Aufregung geröteten Wangen zu Wort. »Die Zahl Sieben vereinigt die göttliche Trinität, die Dreifaltigkeit, mit den irdischen vier Windrichtungen. Und Jesus hat sieben Wunder vollbracht! Selbst das Vaterunser besteht aus sieben Bitten.«
    »Nicht zu vergessen das Buch mit den sieben Siegeln der Johannesoffenbarung, der Apokalypse«, fiel Markus ein. »Die sieben Posaunen, sieben Erzengel, sieben Plagen und ein siebenköpfiges Tier.«
    »Sieben Tugenden, sieben Todsünden«, fügte Teresa hinzu. »Sieben Sakramente und sieben Gaben des Heiligen Geistes. Der siebte Himmel der Muslime, die sieben Stufen, die sie hinaufgehen, um ins Paradies zu kommen. Auch für eine Pilgerschaft kann ich sieben Stufen erkennen: Aufbruch, Unterwegssein, Rasten, Wegsuche, Ankunft, Wandlung und Heimkehr. Das alles habe ich so erlebt und kann es bestätigen.«
    »Dann sind wir uns ja einig«, sagte der Rabbi. »Ich habe, während ihr gesprochen habt, nachgedacht. Es ist nicht gut, dass die Menora wieder aufgetaucht ist. Sie hat Euch und anderen Zwietracht, Verderben und Tod gebracht, weil sie heimatlos geworden ist und vielleicht auch
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