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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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Witzig fand ich das zwar nicht, aber zumindest musste ich keine Grundsteuer zahlen, die dem Bruttosozialprodukt eines kleinen afrikanischen Landes entsprach.
    Das Taxi setzte mich direkt vor meinem Haus ab. Ich hatte es gleich nach dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst gekauft; es hatte zwei Etagen, und die untere ließ sich auch als Geschäft nutzen. Damals wollte ich von meinem alten Leben so weit weg wie möglich, ohne zu weit von Ruthie entfernt zu sein. Das Erdgeschoss hatte ich untervermietet; in ihm befand sich jetzt ein kleiner Laden, in dem reiche Hausfrauen unnützen Schnickschnack kaufen konnten.
    Diese Frauen hatten es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ihre Kinder zu verziehen und haufenweise Geld auszugeben, das ihre Männer als Ärzte, Banker oder Rechtsanwälte verdienten. Für ihre Sprösslinge beschäftigten sie rund um die Uhr Kindermädchen, damit sie shoppen gehen oder in einem krankhaft teuren Restaurant einen Salat bestellen konnten. Danach besuchten sie das Fitnessstudio, bis ihre Körper so hart und stählern waren wie ihre künstlichen Fingernägel. Eine sehr seltsame Welt war das.
    Ich wohnte in der kleinen Wohnung im ersten Stock. Das traf sich ganz gut, denn der Laden öffnete um zehn Uhr morgens und schloss abends um siebzehn Uhr, und wenn ich zu Hause war, war es dort meistens ruhig und dunkel.
    Wie jetzt, zum Glück. Denn ich wollte nur eins: schlafen. Wie immer nach einem Adrenalinstoß fühlte ich mich müde und erschöpft.
    Überall lag Schnee, dabei waren laut Wetterbericht im Radio für den kommenden Tag eigentlich achtzehn Grad angesagt. Herzlich willkommen in Wisconsin. Morgen Abend würde alles nur noch Matsch sein.
    Hell und unheimlich lugte der Mond hinter den Wolken hervor und warf seine kalten blauen Schatten auf das unberührte Weiß.
    Ich stolperte die Treppe nach oben und schloss hinter mir ab. Muffig und abgestanden roch die Luft hier. Nach so kurzer Zeit schon. Ich ließ die Post im Briefkasten, eine Nacht mehr oder weniger würde ihr nicht schaden. Dem blinkenden roten Licht des Anrufbeantworters schenkte ich ebenfalls keine Beachtung. Mindestens eine der Nachrichten würde von Megan sein, da war ich mir ganz sicher. Die Schwester hatte mir erzählt, dass sie ständig da gewesen sei, als ich bewusstlos im Krankenhaus lag.
    Megan hatte eine Karte mit „Gute Besserung“ dagelassen. An den unteren Rand hatte sie geschrieben: „Komm vorbei, sobald du dich besser fühlst.“ Laut meiner Planung würde das morgen sein.
    Meine Wohnung beschränkte sich auf das Notwendigste: Linkerhand war die Küche, auf der rechten Seite stand mein Bett, und das Bad befand sich am hinteren, der Tür gegenüberliegenden Ende neben dem einzigen Fenster. Ich war genügsam, und die meiste Zeit verbrachte ich sowieso im Murphy’s.
    Das Licht machte ich erst gar nicht an, sondern entledigte mich meiner Kleider im Dunkeln, dabei hinterließ ich eine Spur bis zum Bett. Ich krabbelte hinein, zog die Decke über den Kopf und träumte.
    Ich befand mich bei Ruthie, aber es war ein anderes Haus: weiß, mit grünen Verzierungen und einem Palisadenzaun. Viel zu kitschig für Ruthie, aber trotzdem wusste ich, dass es ihr Zuhause war.
    Eine kleine Rotznase mit Ringellöckchen öffnete die Tür. Zwar hatte ich sie noch nie gesehen, aber ihresgleichen schon viele. Die Augen wirkten viel älter als das kindliche Gesicht und die Babypuppenhaare.
    Hatte ich auch so ausgesehen? Genau so, und das wusste ich verdammt gut, auch ohne Jimmys Fotos, die schon damals fast profimäßig waren.
    „Heißt’n du?“, fragte das Kind.
    „Elizabeth“, sagte ich. „Ich muss unbedingt mit…“
    „Lizbeth?“ Die Tür öffnete sich einen Spalt breiter und dort stand sie, und sie sah aus wie immer. Von ihren dunklen Augen, denen nichts entging, über ihre rasiermesserscharfen Ellenbogen, die spitzen Hüften und die knorrigen Knie war alles an Ruthie Kane kantig. Das einzig Weiche an ihr waren der langsam ergrauende Lockenkopf und ihr riesengroßes Herz.
    „Geh zu den anderen“, sagte sie zu dem Mädchen. „Die spielen irgendwas im Hof.“
    Als sich die Kindfrau zum Gehen umwandte, strich Ruthie ihr noch einmal mit der Hand über den Kopf. „Meine süße Kleine“, murmelte sie.
    Das Mädchen hüpfte davon.
    Ruthie wandte sich zur Küche. „Ich dachte mir schon, dass du mal reinschaust.“ Unsicher folgte ich ihr. Mein Verstand sagte mir, dass Ruthie tot war und dass ich alles nur träumte, trotzdem schien es so real
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