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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin
Autoren: Martin Davies
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dir sagen, dass Sophia wohlauf und glücklich ist. Mehr nicht.«
    »Wie du es versprochen hattest.«
    »Ja, wie ich es versprochen hatte.«
    Er nickte.
    »Ich denke öfter an sie, als du glaubst.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube es.«
    Still standen sie da und sahen sich an. Der helle Frühlingstag draußen füllte den Raum zwischen ihnen mit silbernem Licht.
    »Nimmst du mir übel, was ich getan habe?«, fragte sie.
    »Ich versuche es.«
    »Gelingt es dir?«
    »Drei Jahre lang ist es mir gelungen. Aber da habe ich dir nicht ins Gesicht geschaut.«
    »Dann bin ich froh, dass ich gekommen bin.«
    Sie verbrachten an diesem Morgen eine Stunde miteinander, umgeben von seiner Sammlung, dem großen Raritätenmagazin, das sein Haus füllte und von ganz Europa bestaunt wurde. Der Umfang der Sammlung in den weiten, lichtdurchfluteten Räumen ließ sie klein erscheinen, und sie wanderten fast schweigend von Objekt zu Objekt, beide mehr des anderen gewahr als der Wunder ringsum. Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen, um eines der Stücke genauer zu betrachten, und er trat einen Schritt zurück und beobachtete sie - bis er merkte, dass sie allzu konzentriert wirkte, dass sie in Wahrheit tief in Gedanken war. Dann redete er munter über das nächstbeste Objekt, auf das sein Auge fiel, sie folgte ihm dorthin, und eine kleine Weile diskutierten sie lebhaft darüber, ehe sie wieder verstummten.
    So gingen sie von Raum zu Raum, von der großen Schau menschlicher Gebrauchsgegenstände und den Memorabilien seiner Südseetage zu seinem Herbarium, wo sie von Pflanze zu Pflanze und wieder zurück wanderten. Auch Bilder waren da, wilde Landschaften und Gesichter fremder Männer und Frauen, vor allem aber botanische Werke, die unvergleichliche Sammlung der Zeichnungen, die Parkinson vor seinem Tod auf der Endeavour angefertigt hatte. Sie studierte sie genau, nicht bewundernd, sondern so, wie ein Handwerker den anderen beobachtet, um zu sehen, was er von ihm lernen kann. Ab und an nickte sie anerkennend, wie um einen besonderen Pinselstrich zu würdigen.
    Schließlich kamen sie in einen Raum mit Tierexemplaren, teils präpariert, teils nur in Form ihres flach gelagerten Fells. Er zeigte ihr die sehenswertesten Stücke, die Neuheiten, die zu den Hauptattraktionen seines Museums geworden waren. Einmal blieb er stehen und sah sie gerade an.
    »Eines sollte ich dir noch sagen... Erinnerst du dich an Lysart, den Geologen? Er hat eine Tochter, die... die so ist wie Sophia. Sie wächst in Kensington auf, und er besucht sie oft, aber ich sehe, dass sie es nicht leicht hat. Die Gesellschaft kennt kein Erbarmen mit einer solchen Frau.« Er wandte sich wieder dem Gegenstand zu, den er betrachtet hatte. »Ich wollte es dir nur gesagt haben.«
    Gegen Ende des letzten Raumes fiel ihr Blick auf einen nicht weiter auffälligen präparierten Vogel. Er las das Schild. »Aus der Südsee«, sagte er, »von einer Insel nahe Otaheite.«
    »Dass ein so unscheinbarer Vogel so zur Schau gestellt wird...«
    »Ja, nicht wahr? Ich weiß nicht, warum Forster ihn präpariert hat. Ich erinnere mich, dass er von einer neuen Konservierungsmethode sprach, die er ausprobieren wollte. Vielleicht hat er bewusst ein alltägliches Objekt gewählt, für den Fall, dass sein Experiment scheitert.«
    Sie fuhr fort, den Vogel zu betrachten.
    »Aber er gefällt mir«, sagte sie. »Ein unscheinbarer brauner Vogel inmitten all der Pracht. Ich finde, er hat seine ganz eigene Schönheit.«
    »Nimm ihn mit«, sagte er drängend, in dem plötzlichen Wunsch, sie möge etwas besitzen, was sie an diesen Tag erinnern würde. »Ich kann ihn dir auch schicken lassen.«
    »Aber das würde deine Sammlung verkleinern.«
    »Nur um einen Bruchteil. Man wird es gar nicht merken.«
    Er beharrte auf seinem Vorschlag, und schließlich gab sie ihm eine Adresse in Soho, an die der Vogel zu schicken sei.
    »Es ist Monsieur Martins Haus. Er kauft meine Arbeiten.«
    Nachdem sie gegangen war, nachdem die letzten Worte zwischen ihnen gewechselt worden waren und er ihr in die Kutsche geholfen hatte, wurde der Vogel heruntergenommen und zum Versand fertig gemacht.
    Einige Wochen blieb sein Platz in der New Burlington Street leer. Im Sommer jenes Jahres zog die Sammlung an den Soho Square um, und der braune Vogel geriet in Vergessenheit.

19
    Schlussfolgerungen
    Am Tag nachdem Potts den Vogel aus meinem Hotelzimmer gestohlen hatte, fiel der erste Schnee. Katya und ich waren die halbe Nacht auf gewesen, hatten
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