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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin
Autoren: Martin Davies
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Versuchung, allzu viel aufzuhängen, hatte man jedoch widerstanden. Die Wand gegenüber der Tür war bis auf eine Eichenblätterstudie in ziemlich trüben Farben leer, aber sie war es auch nicht, die uns interessierte. In einem Glaskasten über der Tür stand als stummer Herr über die Stille unter ihm der verschollene Vogel von Ulieta.
    Er sah meiner Nachbildung nicht unähnlich, war aber um vieles besser erhalten. Für meinen hatte ich uralte Exemplare von Drosseln und Amseln zusammenbetteln und -kaufen sowie mein ganzes Können aufbieten müssen, um sie zu einer glaubwürdigen Fälschung zu kombinieren: Wo es schwierig wurde, hatte ich, um meine Unzulänglichkeit zu kaschieren, Altersschwäche vorgetäuscht. Bei diesem Exemplar aber gab es keine herausgerissenen Federn und auch nichts Unförmiges. Es war in bemerkenswert, ja geradezu unglaublich gutem Zustand. Wer Georg Forsters Bild gesehen hatte, konnte keinen Zweifel daran hegen, dass dies das Original war.
    Katya und ich standen da und staunten.
    »Wie kann das sein, dass er so perfekt erhalten ist?«, fragte sie schließlich.
    »Ich weiß auch nicht. Irgendein glücklicher Zufall wahrscheinlich.«
    Doch Bert Fox wies auf den Raum ringsum. »Keine Außenwände. Mein Vater hat ihn zusammen mit den Büchern hier aufbewahrt, weil es hier drin nie feucht wird. Und die Temperatur bleibt immer gleich. Immer kalt.«
    »Und davor? All die Jahre in dem Verwalterhaus. Schon erstaunlich, dass er das überlebt hat.«
    »Von meinem Vater weiß ich, dass man ihnen gesagt hat, sie sollen ihn mit Arsen behandeln. Wahrscheinlich hat ihn jede Generation nach besten Kräften gepflegt.«
    »Also deshalb«, sagte Katya, als wäre ihr etwas bisher Unverstandenes klar geworden. »Deshalb gibt es ihn noch, während die ganzen anderen Exemplare zerfallen.«
    Sie verstummte und schaute wieder zu dem Vogel auf. Dann merkte sie, dass Bert und ich sie ansahen und auf eine Erklärung warteten.
    »Wegen all der Liebe«, sagte sie nur.
     
    Als wir wieder hinuntergingen, war Martha Stamford unter ihrer rosa Decke eingeschlummert, umgeben von so vielen Gegenständen, denen ihr Leben Bedeutung verliehen hatte. Joseph Banks’ Vogel über uns war wieder der Stille und Dunkelheit seines abgeschlossenen Raumes überlassen. Es gab keinen Grund, sie oder ihn zu stören.
    Bevor wir das Haus verließen, blieben Katya und ich in der Tür stehen und versuchten, die Temperatur zu schätzen. Ich wartete, bis sie ihren Mantel zugeknöpft und den Kragen bis zur Nase hochgeschlagen hatte, dann standen wir einen Moment nahe beieinander und sahen zum Himmel auf. Zusammen traten wir in den Wintersonnenschein hinaus.
     
     
     
    Drei Tage bevor er im Alter von siebenundsiebzig Jahren starb, verlangte Joseph Banks nach Feder und Tinte, um einen Brief an seinen alten Reisegefährten Daniel Solander zu schreiben, einen Mann, der seit fast vierzig Jahren tot war.
    »Mein lieber Solander«, begann er mit zittriger Hand, »die Vergangenheit wirft einen Schatten, haben Sie einmal gesagt. Sie haben vieles gesehen, was ich nicht sehen konnte. Aber ich sehe jetzt, dass hinter dem Schatten Sonne, Bäume und Blätter sind.
    Sie hat so grüne Augen, Solander - es ist gut, dass wir bald scheiden.«

Dank
    Viele haben mich beim Schreiben dieses Buches unterstützt. Besonders möchte ich all jenen danken, die mir mit ihren Kommentaren geholfen haben, ihrem Rat und der Ermunterung, Pause zu machen und auf einen Drink mitzukommen. Ich danke Professor Mark Seaward für seine bewundernswerte Kenntnis der Flechten in Lincolnshire, Jo und Sam für das Goat House, Jane für ihre Geduld, meinen Mitstreitern im Café Rapallo, meinen Eltern für den steten Strom der Zeitungsausschnitte und Kommentare über Sir Joseph Banks sowie Margaret Lovegrove für ihren Enthusiasmus genau dann, als ich ihn brauchte. Vielleicht aber sollte ich an allererster Stelle den vielen Gelehrten und Historikern danken, die über Joseph Banks geschrieben haben, insbesondere Averil Lysaght und James C. Greenway, ohne deren Werk dieses Buch nie entstanden wäre.

Die Originalausgabe erschien 2005
unter dem Titel »The Conjour’s Bird«
bei Hodder & Stoughton, London,
und Crown, New York
     
     
     
    Umwelthinweis:
Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches
sind chlorfrei und umweltschonend.
     
     
    1. Auflage
Taschenbuchausgabe Dezember 2007
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Copyright © der Originalausgabe 2005
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