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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht
Autoren: Ken Follett
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Pilaster Edward in die Arme und küßte ihn auf die Stirn, wo Tonios Stein eine Wunde hinterlassen hatte. »Mein armer geliebter Junge«, sagte sie.
    Von dem Steinwurf hatten Micky und Edward niemandem erzählt, denn dann hätten sie erklären müssen, was Tonio dazu veranlaßt hatte. Nach ihrer Version hatte Edward sich den Kopf angeschlagen, als er nach Peter tauchte.
    Beim Tee lernte Micky eine ganz neue Seite an seinem Freund kennen. Edward saß auf dem Sofa neben seiner Mutter. Unablässig tätschelte und streichelte Augusta ihren »Teddy«, doch statt peinlich davon berührt zu sein wie andere Jungen seines Alters, schien Edward das zu mögen und schenkte seiner Mutter sogar ein gewinnendes Lächeln, das Micky noch nie an ihm gesehen hatte. Sie ist richtig vernarrt in ihn, dachte Micky - und Edward gefällt das.
    Nachdem man minutenlang nichts als belanglose Höflichkeiten ausgetauscht hatte, stand Mrs. Pilaster plötzlich auf und brachte damit die Männer ganz durcheinander. Hastig rappelten sie sich auf.
    »Sie wollen gewiß rauchen, Dr. Poleson«, sagte sie und, ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Mr. Pilaster wird Sie auf eine Zigarre in den Garten begleiten. Teddy, mein Lieber, du begleitest deinen Vater. Ich werde mir ein paar Minuten stiller Einkehr in der Kapelle gönnen. Vielleicht kann Micky mir den Weg dorthin zeigen.«
    »Aber gewiß doch, aber gewiß doch«, stammelte der Direktor und überschlug sich geradezu in seinem Eifer, Augustas Befehlen unverzüglich nachzukommen. »Los, los, Miranda!« Micky war beeindruckt. Wie mühelos diese Frau die Männer zum Spuren brachte! Er hielt ihr die Tür auf und folgte ihr hinaus. In der Diele fragte er höflich: »Hätten Sie gerne einen Sonnenschirm, Mrs. Pilaster? Es ist recht heiß heute.«
    »Nein, danke.«
    Vor dem Haus des Direktors drückten sich eine Menge Jungen herum. Offenbar hatte sich die Neuigkeit, was für eine tolle Frau Pilasters Mutter war, wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule verbreitet. Alle brannten darauf, sie zu sehen. Micky genoß es, daß er die Dame begleiten und durch die verschiedenen Höfe zur Kapelle führen durfte. »Soll ich hier draußen auf Sie warten?« bot er an.
    »Nein, komm mit herein. Ich will mit dir reden.« Das Vergnügen, die faszinierende Frau herumzuführen, wich Unsicherheit und Nervosität. Was will sie von mir? fragte sich Micky.
    Die Kapelle war menschenleer. Mrs. Pilaster setzte sich in eine der hinteren Bänke und deutete auf den Platz neben ihr. Dann sah sie ihm geradewegs in die Augen und sagte: »Jetzt erzähl mir, wie es wirklich war.«
    Augusta sah Überraschung und Furcht in den Augen des Jungen aufblitzen und wußte sofort, daß ihr Verdacht gerechtfertigt war.
    Doch Micky hatte sich schon wieder gefangen. »Ich habe doch erzählt, wie es war«, lautete seine Antwort. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, das hast du nicht.« Micky lächelte nur, und nun war es an Augusta, überrascht zu sein. Sie wußte, daß sie ihn ertappt und in die Defensive gedrängt hatte. Und doch war er imstande, sie anzulächeln! Nur wenige Männer hatten ihrer Willensstärke etwas entgegenzusetzen, und wie es schien, gehörte dieser Knabe trotz seiner Jugend bereits dazu. »Wie alt bist du?« fragte sie. »Sechzehn.« Sie musterte ihn aufmerksam. Mit seinen dunkelbraunen Locken und der glatten Haut sah er geradezu aufregend gut aus, wenngleich die schweren Lider und die vollen Lippen einen Anflug von Dekadenz ahnen ließen. Seine Selbstsicherheit und seine glänzende Erscheinung erinnerten sie an den Grafen Strang ... Der Gedanke versetzte ihr einen Stich, und sie verdrängte ihn voller Schuldgefühle. »Peter Middleton war nicht in Gefahr, als ihr zu dem Teich kamt«, sagte sie. »Er schwamm putzmunter im Wasser herum.«
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte Micky kühl zurück. Sie spürte seine Angst - und doch blieb er vollkommen beherrscht. Der Junge war schon erstaunlich reif. Er zwang sie, gegen ihre Absicht mehr von ihrem Wissen preiszugeben, als sie vorgehabt hatte.
    »Du vergißt, daß Hugh Pilaster dabei war«, sagte sie. »Er ist mein
    Neffe. Du hast wahrscheinlich gehört, daß sein Vater sich vergangene Woche das Leben genommen hat, deshalb ist Hugh heute nicht hier. Aber er hat seiner Mutter, also meiner Schwägerin, von dem Vorfall im Steinbruch erzählt.«
    »Was hat er gesagt?« Augusta runzelte die Stirn. »Er sagte, Edward hätte Peters Kleider ins Wasser geworfen«, gestand sie widerwillig. Es
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