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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht
Autoren: Ken Follett
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warum er in dem Koffer steckte.«
    Hugh hatte an der Identifizierung der Leiche mitgewirkt. Eine offizielle Bestätigung von Mickys Tod war schon deshalb wichtig gewesen, weil sie Kachel ermöglichte, endlich Dan Robinson zu heiraten.
    Ein Schüler verteilte tintenfleckige Abschriften des Schullieds an die versammelten Eltern und Verwandten.
    »Und Sie?« fragte Greenbourne Hugh. »Was werden Sie tun, wenn das Konsortium aufgelöst wird?«
    »Ich wollte Sie deswegen ohnehin um Rat bitten«, sagte Hugh. »Ich möchte nämlich eine neue Bank gründen.«
    »Wie das?«
    »Ich möchte mit den Aktien an die Börse gehen, eine AG gründen - Pilasters Limited. Was halten Sie davon?«
    »Eine kühne Idee. Aber warum nicht, Sie hatten ja schon immer originelle Vorschläge.« Greenbourne machte eine Pause und dachte nach.
    »Merkwürdigerweise hat die Bankpleite Ihrem Ruf nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Sie stehen besser da als vorher, nachdem man gesehen hat, wie Sie die Sache abgewickelt haben. Wer ist schließlich verläßlicher als ein Bankier, dem es sogar noch nach einem Zusammenbruch gelingt, seine Gläubiger zu bezahlen?«
    »Dann meinen Sie also ... es könnte gelingen?«
    »Ich bin sogar davon überzeugt. Vielleicht stecke ich sogar selber Geld in Ihr Projekt.« Hugh nickte dankbar. Greenbournes Wohlwollen war von großer Bedeutung. Der Rat des alten Bankiers war in der City sehr gefragt, und seine Zustimmung war Gold wert. Hugh hatte schon vorher an den Erfolg seines Plans geglaubt; Greenbournes Zuspruch hatte seine Zuversicht aber besiegelt.
    Alle Anwesenden erhoben sich, als der Direktor, gefolgt vom Lehr- personal, dem Gastredner – einem Parlamentsabgeordneten der Liberalen Partei - und von Bertie, dem Schülersprecher, die Aula betrat. Sie nahmen auf dem Podium Platz. Dann trat Bertie ans Rednerpult und verkündete mit klingender Stimme: »Laßt uns das Schullied singen!«
    Hugh suchte Maisies Blick. Sie lächelte stolz. Auf dem Klavier ertönten die vertrauten einleitenden Klänge. Dann begannen alle zu singen. Eine Stunde später ließ Hugh seine Familie allein, die in Berties Arbeitszimmer beim Nachmittagstee zusammensaß. Er stahl sich hinaus, überquerte das Squash-Spielfeld und verschwand im Bischofswäldchen.
    Es war heiß, genau wie damals an jenem Tag vor sechsundzwanzig Jahren. Das Wäldchen schien sich nicht verändert zu haben. Im Schatten der Buchen und Ulmen war es still und schwül. Er erinnerte sich an den Trampelpfad zum Badeteich und fand den Weg ohne Schwierigkeiten.
    Er verzichtete darauf, die steile Wand des Steinbruchs hinabzuklettern - so gelenkig war er nicht mehr. Statt dessen ließ er sich an der Kante nieder und warf einen Stein hinunter, der die spiegelglatte Wasseroberfläche durchbrach und vollendet ringförmige Wellen aussandte.
    Abgesehen von Albert Cammel in der fernen Kapkolonie war er der einzige Überlebende. Alle anderen waren tot: Peter Middleton war an jenem Tag von Micky ertränkt, Tonio am Heiligabend vor zwei Jahren von Micky erschossen worden; Micky selbst war in einem Überseekoffer ertrunken, und Edward ruhte seit kurzem, der Syphilis erlegen, auf einem Friedhof in Frankreich. Es war fast, als wäre an jenem Tag im Jahre 1866 ein böser Geist dem tiefen Wasser entstiegen und hätte all jene dunklen Leidenschaften entfacht, die später ihr Leben vergiften sollten - Haß und Gier, Selbstsucht und Grausamkeit; als hätte er Betrug und Bankrott, Krankheit und Mord über sie gebracht. Doch jetzt war es ausgestanden. Die Schuld war beglichen. Sollte es tatsächlich einen bösen Geist gegeben haben, so war er nun auf den Grund des Teiches zurückgekehrt. Und Hugh hatte überlebt. Die von dem Stein hervorgerufenen ringförmigen Wellen hatten sich verflüchtigt, und die Wasseroberfläche lag wieder ruhig und unberührt da.
     

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