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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht
Autoren: Ken Follett
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aufstand. Micky grinste höhnisch. »Du dämliche Fotze«, sagte er und stieg aus dem Bett.
    »Nein!« sagte Augusta. »Nein!«
    »Du hast dir doch tatsächlich eingebildet, ich würde dich heiraten!«
    »Ja ...«
    »Du hast kein Geld und keinen Einfluß mehr. Die Bank ist pleite, und vorhin hast du dir sogar die Schnupftabaksdosen abnehmen lassen. Was soll ich da noch mit dir anfangen?« Sie spürte einen Schmerz in ihrer Brust, als habe ihr jemand ein Messer direkt ins Herz gestoßen. »Du hast doch gesagt, daß du mich liebst ...«
    »Du bist achtundfünfzig - so alt wie meine Mutter, Herrgott noch mal! Du bist alt und runzelig, boshaft und egoistisch - ich würde dich nicht einmal vögeln, wenn du die letzte Frau auf dieser Erde wärst!«
    Augusta schwanden die Sinne. Sie bemühte sich, nicht zu weinen, aber es gelang ihr nicht. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie begann, vor Verzweiflung heftig zu schluchzen, so daß ihr ganzer Körper erbebte. Sie war am Ende. Sie hatte keine Heimat mehr, kein Geld und keine Freunde. Der Mann, dem sie vertraute, hatte sie verraten. Sie wandte sich von ihm ab, um ihr Gesicht zu verbergen; er sollte sich nicht an ihrer Scham und Trauer weiden. »Bitte, hör auf!« flüsterte sie.
    »Ich hör' schon auf.« fauchte er. »Ich habe hier auf dem Schiff eine Kabine reserviert- und dorthin verziehe ich mich jetzt.«
    »Aber wenn wir nach Cordoba kommen ...«
    »Du kommst nicht nach Cordoba. Du kannst das Schiff in Lissabon verlassen und wieder nach England zurückkehren. Ich brauche dich nicht mehr.«
    Jedes Wort traf sie wie ein Schlag. Augusta wich vor Micky zurück, die Hände erhoben wie zur Abwehr seiner Verwünschungen.
    Sie stieß gegen die Kabinentür. Sie hielt es in seiner Gegenwart nicht mehr aus. Sie sperrte die Tür auf und verließ die Kabine. Die eiskalte Nachtluft brachte sie rasch zur Besinnung. Du benimmst dich wie ein hilfloses kleines Mädchen, nicht wie eine reife, fähige Frau, schalt sie sich. Vorübergehend war ihr die Kontrolle über ihr Leben entglitten - um so mehr galt es jetzt, wieder Herrin über das eigene Schicksal zu werden. Ein Mann im Smoking ging vorüber. Er rauchte eine Zigarre. Der Anblick der Frau im Neglige verblüffte ihn sichtlich, aber er sprach sie nicht an. Da kam ihr auf einmal eine Idee.
    Sie ging wieder in die Kabine zurück und schloß die Tür hinter sich. Micky stand vor dem Spiegel und richtete sich seine Krawatte.
    »Es kommt jemand«, raunte sie ihm zu. »Ein Polizist!« Mickys Verhalten änderte sich schlagartig. Der höhnische Ausdruck in seiner Miene verflog und wich panischer Angst. »Oh, mein Gott!« stöhnte er.
    Augusta überlegte fieberhaft. »Wir befinden uns nach wie vor in britischen Hoheitsgewässern«, sagte sie. »Du kannst ohne weiteres noch verhaftet und mit einem Boot der Küstenwache zurückgebracht werden.« Sie hatte keine Ahnung, ob ihre Behauptung stimmte.
    »Ich muß mich verstecken.« Er kletterte in den Überseekoffer.
    »Mach ihn zu, schnell!«
    Augusta schloß den Deckel und ließ die Verschlüsse zuschnappen.
    »So ist's gut«, sagte sie.
    Sie setzte sich aufs Bett und starrte den Überseekoffer an. Wieder und wieder vollzog sie in Gedanken das Gespräch mit Micky nach. Sie hatte sich verwundbar gezeigt, und er hatte es ausgenutzt. Sie dachte daran, wie er sie gestreichelt hatte. Nur zwei andere Männer hatten je ihre Brüste berührt - Strang und Joseph. Sie dachte daran, wie er ihre Brustwarze verdreht und sie mit obszönen Worten beleidigt hatte. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr kühlte ihre Wut ab und verwandelte sich in dunkle, böse Rachsucht.
    Aus dem Innern des großen Koffers drang gedämpft Mickys Stimme: »Augusta, was ist denn los?« Sie gab ihm keine Antwort.
    Er begann, um Hilfe zu rufen, worauf Augusta den Koffer zur Schalldämmung mit Bettzeug und Decken umwickelte. Nach einer Weile gab er Ruhe.
    Nachdenklich entfernte Augusta die Gepäckanhänger, die ihren Namen trugen, von dem Überseekoffer.
    Sie hörte Kabinentüren zuschlagen: Die Passagiere begaben sich in den Speisesaal. Das Schiff, das mittlerweile das offene Wasser des Ärmelkanals erreicht hatte, begann in der Dünung ein wenig zu schaukeln. Für Augusta, die auf dem Bett saß und vor sich hin grübelte, verstrich der Abend schnell.
    Zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens kehrten die Passagiere in kleinen Gruppen zu zweit oder zu dritt in ihre Kabinen zurück. Danach hörte die Kapelle zu spielen auf, und es kehrte
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