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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht
Autoren: Ken Follett
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kümmern.
    »Wohin gehen wir?« fragte sie flüsternd. »Ich gehe nach Amerika.«
    »Nach Amerika! Wie?«
    »Im Hafen liegt ein Schiff, das mit der Morgenflut Richtung Boston ausläuft - wenn es dunkel ist, klettere ich an einem Seil an Bord und verstecke mich in einem der Boote.«
    »Du fährst als blinder Passagier«, sagte Maisie, und in ihrer Stimme schwang ebenso viel Angst wie Bewunderung mit. »Genau.«
    Als Maisie ihren Bruder betrachtete, sah sie zum erstenmal, daß über seinen Lippen ein Bartflaum zu sprießen begann. Er wurde allmählich ein Mann, und eines Tages würde er den gleichen schwarzen Vollbart tragen wie Papa. »Wie lange dauert die Fahrt nach Amerika?« fragte sie.
    Er zögerte und wirkte ein wenig stur, als er antwortete: »Ich weiß nicht.«
    Ihr ging auf, daß er sie nicht in seine Pläne einschloß, und ihr wurde elend und ängstlich zumute. »Wir bleiben also nicht zusammen«, sagte sie traurig.
    Sein Blick war schuldbewußt, aber er widersprach ihr nicht. »Ich geb' dir einen guten Tip«, sagte er. »Geh nach Newcastle. Zu Fuß bist du in vier Tagen dort. Es ist eine große Stadt, größer noch als Danzig - dort fällst du keinem auf. Schneid dir die Haare kurz, klau dir ein Paar Hosen, und tu so, als wärst du ein Junge. Such dir einen Mietstall, und hilf, die Pferde zu versorgen - mit Pferden konntest du schon immer gut umgehen. Wenn du deine Sache gut machst, kriegst du Trinkgelder, und vielleicht stellen sie dich nach einer Weile sogar richtig ein.«
    Maisie konnte sich nicht vorstellen, ganz auf sich allein gestellt zu sein.
    »Ich würde lieber bei dir bleiben«, sagte sie. »Das geht nicht. Es wird schon schwierig genug für mich alleine. Ich muß mich verstecken, mir was zu essen klauen und so. Da kann ich mich nicht auch noch um dich kümmern.«
    »Du brauchtest dich nicht um mich zu kümmern. Und ich wäre mucksmäuschenstill.«
    »Ich würde mir aber Sorgen um dich machen.«
    »Aber mich ganz allein zu lassen macht dir keine Sorgen?«
    »Von heute an müssen wir selber für uns sorgen!« gab Danny schroff zurück.
    Maisie erkannte, daß sie ihren Bruder nicht würde umstimmen können - das war ihr noch nie gelungen, wenn Danny sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
    Voller Furcht im Herzen fragte sie: »Wann sollen wir gehen? Morgen früh?«
    Danny schüttelte den Kopf. »Jetzt gleich. Sobald es dunkel ist, muß ich mich an Bord schleichen.«
    »Ist das wirklich nötig?«
    »Ja.« Wie zum Beweis dafür stand er auf. Maisie tat es ihm gleich. »Sollen wir irgendwas mitnehmen?«
    »Was denn?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Sie besaß kein Kleid zum Wechseln, keine Erinnerungsstücke, nichts. Es gab auch kein Geld und keine Lebensmittel, die sie hätten mitnehmen können. »Ich möchte Mama einen Abschiedskuß geben«, sagte Maisie. »Laß es sein«, sagte Danny mit rauher Stimme. »Sonst kommst du nicht von hier weg.«
    Er hatte recht. Wenn ich jetzt zu Mama gehe, klappe ich zusammen und erzähle ihr alles, dachte Maisie und schluckte heftig.
    »Also gut«, sagte sie, während sie mit den Tränen kämpfte. »Gehen wir.«
    Seite an Seite schritten sie davon.
    Am Ende der Straße hätte Maisie sich gerne noch einmal umgedreht und einen letzten Blick auf das Haus geworfen. Doch sie hatte Angst, sie könnte schwach werden und umkehren. Also ging sie weiter und drehte sich nicht mehr um.
     
     
    Ausschnitt aus der Londoner Times:
    DER CHARAKTER DES ENGLISCHEN SCHULJUNGEN
     
    Der Stellvertretende Untersuchung s richter von Ashton, Mr. H. S. Wasbrough, leitete gestern im Bahnhofshotel von Windfield die gerichtliche Untersuchungskommission zur Aufklärung der Todesursac h e im F a lle des 13jährigen Schülers P eter James St. John Middleton. Der Knabe war in ein e m stillgele g ten Steinbr uc h, unweit der Windfield School, in einem T eich schwimmen. Zw e i ältere Schüler hatten, wie dem Gericht mitgeteilt wurde, gemerkt, daß er in Schwierigkeiten geriet.
    Einer der beiden, Miguel Miranda, gebürtig aus Cordoba, sagte als Zeuge aus, sein Begleiter, der 16jährige Edward Pilaster, habe sich seiner Oberbekleidung entled i gt und sei ins Wasser gesprungen, um den Jüngeren zu retten, jedoch ohne Erfolg.
    Der Schulleiter von Windfield, Dr. Herbert Poleson, sagte aus, der Aufenthalt im Steinbruch sei den S c hülern untersagt, doch es sei ihm bekannt, daß diese Anordnung gelegen t lich übertreten werde. Die Jury kam zu dem Schluß, daß ein Unfalltod du r ch Ertrinken
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