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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Autoren: Alison Croggon
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sie ragten Mauern auf, die meisten eingestürzt und verfallen, überwuchert von braunen, blätterlosen Ranken, die der Wind gegen den Stein klatschen ließ. An vielen Stellen war der Stein noch geschwärzt von Feuer, und inmitten all des Gerölls, das nun die winterlichen Überreste von Unkraut überzogen, sah sie verkohlte Balken, zerbrochene Türen und Scherben bunten Glases. Die gepflasterten Pfade waren aufgebrochen und von abgestorbenen Gräsern verstopft, doch sofern keine Mauer auf sie gekippt war, erwiesen sie sich als nach wie vor passierbar. Ein kalter Wind pfiff leise, während er durch die Lücken in den Mauern blies.
    Gelegentlich kam Maerad an einem Haus vorbei, das abgesehen vom längst eingestürzten Dach nahezu unversehrt geblieben war. Hier und da erspähte sie wie durch ein Wunder unzerbrochene Fensterscheiben oder die Überreste bunter Mosaike im Pflaster, häufig mit einem unbeschädigten Symbol in einer Ecke dem Zeichen zweier ineinander verschlungener Lilien oder eines fliegenden Vogels. Auf dem Boden sah sie Statuen mit zerschmetterten Gesichtern, Trümmer einstiger Stürze mit eingemeißelten Blumenmustern, eine verbeulte und von Rost verfärbte Eisenpfanne. Einmal gelangte Maerad auf ihrem verschlungenen Weg durch die zerstörten Straßen von Pellinor auf einen winzigen Hof, auf dem ein fast völlig unbeschädigter Marmorspringbrunnen stand. Er wies die Form einer wunderschönen Frau auf, die einen Krug hielt, aus dem sich das Wasser einst in das kleine Becken ergossen hatte. Grüner Schleim überzog den Marmor, und Laub verstopfte das leere Becken.
    In Maerads Gedächtnis regte sich nichts, während sie die Ruinen von Pellinor durchstreifte. Dieser traurige, verwaiste Ort entsprach nicht den spärlichen Erinnerungen, die sie besaß, welche von Farben, Licht und Liedern erfüllt waren; er offenbarte ihr nichts außer der eigenen Verzweiflung. Alles, was es hier noch gab, war eine kahle, winterliche Leere, die überwältigenden Kummer in ihr heraufbeschwor. Ihre Gedanken wandten sich dem Zukunftstraum zu, der sie vor langer, langer Zeit in Ossin ereilt hatte. War dies das Schicksal, das auch Turbansk erlitten hatte? War auch jene Stadt dazu verdammt, sich in eine gespenstische Ruine zu verwandeln? Womöglich war die Stadt bereits gefallen, ihr Licht und ihre Schönheit für immer erloschen.
    Maerad vermied es, an Hem zu denken. Sie fühlte sich bereits traurig genug. Mit hängendem Schwanz wanderte sie elend durch die Trümmer, bis sie auf einen offenen Platz gelangte, der offensichtlich den mittleren Kreis der Schule gebildet hatte. Sobald sie den Kreis betrat, hielt Maerad jäh inne. Anscheinend war die Schule von Pellinor nicht völlig verlassen: Ein Mann weilte noch zwischen den Ruinen. Zuerst roch sie ihn, dann den durchdringenden Duft von Holzrauch und Fleisch, der ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Sie sah, dass ein Pferd auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises graste. Zuvor hatte sie weder den Rauch noch den Mann wahrgenommen, weil sie in ihre düsteren Gedanken versunken gewesen war und der Wind den Geruch von ihr weggeweht hatte. Maerad verfluchte sich für ihre Unachtsamkeit.
    Aus Gründen, die sie nicht gänzlich verstand, schlich sie nicht zurück, um sich zwischen den eingestürzten Steinmauern zu verstecken. Vielleicht würde der Mann ihr etwas von seinem Essen abgeben; und wenn nicht, könnte sie vielleicht etwas davon stehlen. Angespannt stand sie am Rand des Kreises und beobachtete den Mann eindringlich. Es schien sich um einen Reisenden zu handeln. Er beugte sich über das Feuer und schürte es mit einem Stock. Nach einer kurzen Weile nahm er Maerad anscheinend wahr, drehte den Kopf und schaute sie unmittelbar an. Maerad spürte seinen Blick mehr, als sie ihn sah.
    Der Mann stand auf, doch sie flüchtete immer noch nicht. Zögerlich und bereit, sofort kehrtzumachen und wegzurennen, trat sie ein paar Schritte auf den offenen Platz und blieb mit hämmerndem Herzen stehen. Das Fleisch duftete köstlich, und sie streckte die Schnauze in die Luft, um es besser zu riechen. Der Mann wirkte nicht gefährlich. Wenn sie sich ihm ganz langsam näherte, um ihm zu verdeutlichen, dass sie ihm nichts tun wollte, würde er ihr vielleicht etwas zu fressen geben.
    Der Mann beobachtete sie eingehend, als sie auf ihn zuschlich, aber er rührte sich nicht. Sein Gesicht konnte Maerad nicht erkennen, zumal es sich unter der Kapuze eines schwarzen Mantels verbarg. Maerad spürte
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