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Die Peitschenbrüder

Die Peitschenbrüder

Titel: Die Peitschenbrüder
Autoren: Horst Hoffmann
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Fenster. Andere wurden in der Mitte des Platzes niedergelegt und erhellten die Szene.
    Mythor legte die Hand sanft auf Kalathees Mund, als das Mädchen schreien wollte. Leise sprach er auf sie ein, doch sie nahm ihn kaum wahr. Voller Entsetzen blickte sie auf das Bild, das sich ihren Augen bot. Sadagar hatte zwei Messer in den Händen.
    »Still«, flüsterte Mythor. »Sadagar, warte, bis ich dir ein Zeichen gebe.«
    »Es sind viele«, kam es leise vom Steinmann zurück. »Zu viele für uns, Mythor.«
    Mythor gab keine Antwort. Er hatte nur noch Augen für den glatzköpfigen Giganten, der die anderen Gestalten um zwei Köpfe überragte.
    Altons Griff war warm in Mythors Hand. Er schien mit ihr zu verschmelzen und ihm neue Kraft zu geben.
    Mit diesem Mann, wusste Mythor, würde er es aufzunehmen haben. Mit dem Giganten, dessen Peitsche über den Platz tanzte und in diesem Augenblick eine massive steinerne Statue in Stücke schnitt.
    *
    Schwer polterten die Trümmerstücke des Standbilds zu Boden. Goltans Peitsche trennte zuerst den Kopf, dann das Schwert, die Arme und schließlich den Rumpf ab.
    Die Peitschenbrüder waren verstummt. Fast ehrfürchtig blickten sie zu ihrem Anführer auf. Goltan genoss es.
    »Wir übernachten in Lockwergen und plündern morgen den Palast!« verkündete er dröhnend. »Ihr habt gesehen, dass es keine Geister und Dämonen hier gibt. Ihr habt gesehen, dass es sich lohnt, Goltan zu folgen! Ein Teil von euch wird morgen Reit- und Lasttiere besorgen, die unsere Beute schleppen können. Sucht sie außerhalb der Stadt. Steckt keine Häuser mehr in Brand!«
    Goltan grinste dämonisch, und im Licht der am Boden liegenden Fackeln war sein Gesicht das einer Kreatur, die gerade der tiefsten Hölle entstiegen war. Lippen, Kinn und Nase warfen schwarze Schatten, und sein einziges Auge funkelte. Menschen, die Goltan so gesehen hatten, waren ohnmächtig geworden. Andere, die ihm und seiner Peitsche entkommen waren, hatten dazu beigetragen, dass jedermann in Yortomen in Goltan ein dämonisches Wesen sah. Dazu kamen die abenteuerlichen Geschichten darüber, wie die magische Peitsche in die Hände des Einäugigen gefallen war. Alte Leute wollten wissen, dass sie einstmals zu dem gehört hatte, was der Lichtbote auf der Welt zurückließ.
    »Erfüllst du mir einen Wunsch, Goltan?« fragte Sar.
    »Jeden Wunsch, du kleines Luder. Heute ist Goltan großzügig!«
    »Dann gib mir Jesserk, den Hund, der mich eine Hexe nannte!«
    Goltans Gesicht verfinsterte sich. Er starrte in die Flammen, die nun hoch aus den brennenden Häusern schlugen. Es wurde heiß, und der Schein des Feuers machte die Nacht zum Tag.
    »Jesserk hat seine Strafe erhalten«, knurrte Goltan. »Du lässt die Hände von ihm.«
    »Aber er hat.!«
    »Du hast gehört, was ich dir sagte! Jesserk gehört zu uns! Wir bringen unsere Brüder nicht um!«
    »Aber du hast gesagt, ich könnte.«
    »Schweig!« Goltan stieß Sar von sich. Irgend etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Drei Peitschenbrüder hatten den Marktplatz überquert, um in den Häusern auf der anderen Seite nach geeigneten Quartieren für die Nacht zu suchen. Jetzt standen sie vor einem großen Gasthof und wichen vor etwas zurück, was Goltan noch nicht sehen konnte. Sie stießen erschreckte Schreie aus.
    »Geht zur Seite, ihr Narren!« brüllte der Einäugige.
    Er sah zuerst nur ein schwaches Leuchten, das von einem Stab oder etwas Ähnlichem auszugehen schien. Dann, als sein Auge sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatte, sah er die Gestalt eines Mannes im Eingang des Gasthofs. Das Leuchten kam von einem Schwert in seiner Hand.
    Der Mann trat aus dem Gasthof, das Schwert noch gesenkt.
    »Packt ihn euch!« schrie Goltan seinen Männern zu. »Worauf wartet ihr? Bringt ihn her! Ich will sehen, wer außer uns noch etwas in der Geisterstadt zu suchen hat!«
    Die Gestalt mit dem Schwert trat langsam vor.
    »Auf ihn, Storkh!« brüllte Goltan.
    Der mit dem Namen Storkh Angerufene schwang die Peitsche, ebenso ein zweiter. Bevor die Riemen den Fremden treffen konnten, zuckte dessen Arm mit dem Schwert in die Höhe und durchschnitt die Schnüre in der Luft. Goltan hörte einen seltsamen Ton, der wie fernes Wehklagen klang.
    »Ich glaube, Sar«, sagte der Einäugige, »du wirst dein Geschenk doch noch bekommen.«
    *
    Mythors stille Hoffnung, die Plünderer könnten in eine andere Richtung weiterziehen, so dass er und Sadagar ihnen heimlich folgen und sie beobachten konnten, erfüllte sich
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