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Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)

Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)

Titel: Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)
Autoren: Hubert Wolf
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zu Peters, der Teufel selbst werde ein solches Zeichen geben. Dieses Zeichen war die Inschrift des Namens Jesu auf einem Ziegelstein in der Kammer Maria Luisas. Wenig später erschien eine weitere Inschrift mit dem Namen Marias auf einem anderen Ziegelstein. Pater Peters verfasste einen Bannspruch gegen den Teufel, der zusammen mit seinem Amtsbruder Pater Leziroli alle drei Monate ausgesprochen werden sollte. Ich habe den genannten Fluch von Pater Peters’ Handschrift abgeschrieben.»
    Dekodiert man diese angeblich himmlischen Schreiben der Gottesmutter, ergibt sich folgender Hergang: Zunächst schützte sich Maria Luisa vor möglichen späteren Anschuldigungen, indem sie die Madonna mitteilen ließ, der Teufel agiere in ihrer Gestalt. Dann wurde ein prinzipieller Gegensatz zwischen der «heiligen» Maria Luisa und der «ungläubigen» Luisa Maria aufgebaut. Letztere musste auf Beschluss des Himmels für ihren Hochmut sterben, Erstere sollte dagegen von Gott verherrlicht werden. Schließlich kam auch die operative Ebene in den Blick: Nachdem Maria Luisa sich bei Agnese Celeste, der Tochter eines Arztes, nach stark wirkenden Giften erkundigt hatte, wurden die beiden Novizinnen Maria Ignazia und Maria Felice erneut im himmlischen Auftrag als Mittäterinnen für die Giftanschläge rekrutiert.
    Der entscheidende Brief wurde noch am 8. Dezember, dem Tag der Szene im Chor, geschrieben. Diese Datierung ergab sich für Sallua aus einer Aussage der Äbtissin, die zu Protokoll gab, am Tag bevor die Prinzessin plötzlich so krank geworden sei – also am 8. Dezember – sei Maria Luisa voller Sorge zu ihr gekommen und habe gesagt:[ 18 ] «Gott will die Prinzessin bestrafen und wird ihr eine Krankheit schicken, die ihr das Leben nehmen wird.» Das habe sie mehrere Male wiederholt. «Tatsächlich begann die Prinzessin sich am nächsten Tag nach dem Essen unwohl zu fühlen, mit Erbrechen und Schmerzen in den Eingeweiden, und am nächsten Morgen wurde sie von jener schweren Krankheit überrascht.»
    Die himmlisch angekündigte Vergiftung wurde durch entsprechende Frömmigkeitsübungen begleitet. So forderte Maria Luisa die Novizinnen auf, eine Novene zum kostbaren Blut zu beten, damit Gott der Herr eine Person im Kloster rasch erkranken lassen würde. Und die Nonnen wussten sehr wohl, dass damit niemand anders als die Prinzessin gemeint war.[ 19 ] Dieses neuntägige Gebet ist eine besonders intensive Form des kirchlichen Bittgebetes, mit dem die Gläubigen Gott anflehen, ihren Wunsch zu erfüllen. Dass hier neun Tage lang die Fürstin totgebetet werden sollte, stellt eine schlimme Perversion der kirchlichen Liturgie dar, wie der Inquisitor genau notierte.
Dramaturgie einer Vergiftung
    Sallua stand bei der Rekonstruktion des genauen Ablaufs der Giftanschläge vor nicht unerheblichen Problemen. Nach über einem Jahr der Zeugenvernehmungen musste der Dominikaner feststellen, dass die Aussagen der Klosterschwestern keineswegs übereinstimmten. Zahlreiche Nonnen und Novizinnen hatten lediglich Gerüchte gehört und schmückten diese zwei Jahre später entsprechend aus. Für die Ermittlung des Tathergangs brachten diese Informationen relativ wenig. Dem Inquisitor war bald klar, dass er nur von ganz wenigen Nonnen und Novizinnen wirklich belastbare Aussagen erwarten konnte.
    Aus den Einlassungen Maria Francescas wusste Sallua immerhin, an welche Nonnen er sich halten musste. Da waren zunächst die unmittelbaren Komplizinnen Maria Luisas, die Novizinnen Maria Ignazia und Maria Felice, wobei Maria Felice kurz nach den dramatischen Vorgängen im Dezember 1858 unter dubiosen Umständen gestorben war, dann die Arzttochter Agnese Celeste, die Krankenschwester Maria Giuseppa, die den Himmelsbriefen als Einzige skeptisch gegenüberstand, und schließlich Maria Giacinta, die im Dezember 1858 wie Agnese Celeste und Katharina krank im Bett lag. Dazu kam deren Bruder, der Anwalt Luigi Franceschetti, der die Madre Vicaria regelmäßig traf und den sie relativ unauffällig mit Besorgungen außerhalb des Klosters beauftragen konnte.
    Die ausführliche Befragung dieser Zeugen sollte dem Inquisitor tatsächlich die entscheidenden Informationen über das Vergiftungskomplott bringen. Er kam damit der Dramatik der ganzen Aktion und vor allem einer Vielzahl eingesetzter Gifte auf die Spur, deren Mengen einen Elefanten hätten umbringen müssen.[ 20 ] Es gelang ihm jedoch nicht, den Kardinälen der Kongregation eine überzeugende Chronologie der Anschläge
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