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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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nicht anfechten lassen«, stellte ein Pilger mit anerkennendem Nicken fest und kam ihm damit zu Hilfe. »Ihr habt Euch von unten herauf zu geistiger Bedeutsamkeit emporgearbeitet, das sehe ich Euch an.«
    Er hatte es geschafft, die Gäste zu überzeugen. Christoph entspannte sich.
    »Wirt«, rief der Pilger, »bringt doch mal ein Schachzabel, ich möchte unser fahrendes Schülerlein im Schachspiel schlagen!«
    Als Christoph später den Gastraum verließ, trat der Wirt ihm in den Weg und flüsterte ihm zu: »Es ist zu gefährlich hier für Euch, mein Herr. Verlasst die Stadt vor Morgengrauen, das rate ich Euch dringend!«
    Christoph zählte das Geld für Speise, Trank und Unterkunft in die Hand des Wirtes, verabschiedete sich und stieg zu seiner Stube hinauf. Wich da nicht eben ein Schatten von der Tür? Er rieb sich die Augen. Da war nichts. Ich sehe schon Gespenster, dachte er, oder ich habe einfach zu tief in den Bierkrug geschaut. Er vergewisserte sich, dass der Rucksack noch am selben Platz in der Truhe war. Lange konnte er nicht einschlafen. Es ist glimpflich ausgegangen, aber wie soll das weitergehen? fragte er sich immer wieder. Hätte ich nur mein Maul nicht so weit aufgerissen.

5.
    Das Leben im Kloster ging seinen Gang, nur unterbrochen durch die Mahlzeiten und die abendlichen Kartenspiele mit den Mönchen. Celina bemerkte immer wieder, dass sich kaum jemand an die Regeln des heiligen Benedikt hielt, jedoch schwieg sie zu allem und verrichtete ihre Arbeit im Garten. Auch hier stellte sie fest, dass einige Nonnen private Beete besaßen, andere hielten sich Schweine in den Ställen oder ließen sich an den Festtagen besondere Mahlzeiten von ihren Verwandten bringen, etwa eine Gans, Truthähne oder Mandelgebäck. Eine Schwester nähte Chorhemden für die Priester eines anderen Klosters und nahm offenbar auch Geld dafür. An einem grauverhangenen Tag Mitte November ließ die Äbtissin, Suor Mathilda, Celina ins Besucherzimmer kommen. Beim Eintreten erkannte sie ihren Onkel Eugenio, dessen gebräuntes Gesicht mit dem gewichsten Schnurrbart hinter dem Gitter hervorschaute, daneben das Eidechsengesicht ihrer Tante Faustina.
    Celina trat an das Gitter.
    »Wir haben einen Korb mit Lebensmitteln bei der Pförtnerin abgegeben«, begann Faustina.
    »Und wir sind gekommen, um endgültig Abschied von dir zu nehmen, Kind«, fuhr Eugenio fort. »Das Kloster hat hundert Dukaten von uns für deinen Aufenthalt erhalten, das dürfte für das erste Jahr reichen.«
    »Ich wollte nicht hierher«, sagte Celina leise. »Niemals hätte ich freiwillig den Schleier genommen.«
    »Es gibt Dinge im Leben, die wir nicht beeinflussen können«, antwortete Eugenio.
    »Inzwischen ist die Todesnachricht, deine Eltern betreffend,eingetroffen«, sagte Faustina. »Man hat sie nicht weit von Triest aus dem Meer gefischt. Ein Angestellter der Marmorbrüche hat sie als Luigi und Palladia Gargana erkannt.«
    Celina stiegen die Tränen in die Augen, aber sie biss die Zähne zusammen. Vor ihren Verwandten wollte sie nicht weinen.
    »Wie wir vorausgesagt haben, ist so gut wie nichts vom Vermögen geblieben. Wir sind gezwungen, das Wenige für das Begräbnis auszugeben«, erklärte ihr Onkel.
    »Und was ist mit den Häusern?«, fragte Celina.
    »Die müssen wir unter Wert verkaufen, um Schulden deiner Eltern zu begleichen. Anton Fugger hat uns schon ein Angebot gemacht.«
    Dann war also alles vorbei! Celina war fortan ein mittelloses Mädchen, das im Kloster ihr Leben lang nur geduldet sein würde. Nicht einmal Kleidung oder Sonderrationen beim Essen würde sie sich leisten können.
    »Ich danke euch beiden, dass ihr gekommen seid«, sagte sie und wandte sich zum Gehen. »Lebt wohl.«
    »Celina, bleib doch noch einen Moment«, rief Faustina. »Wir können nichts dafür, dass dein Schicksal diese Wendung genommen hat. Du solltest dankbar dafür sein, dass du nicht in der Gosse gelandet bist.«
    »Ich bin euch dankbar, bis in alle Ewigkeit«, sagte Celina über die Schulter. Sie hörte Faustina mit Eugenio schimpfen, unterdrückte jedoch die Regung, sich noch einmal umzudrehen. Andere Besucher kamen in den Raum; er füllte sich mit Verwandten, die Körbe, Beutel und Käfige mit Tauben und schwarzen Hühnern bei sich hatten.
    Eines Morgens verkündigte Suor Mathilda, dass zwei Tage später der Patriarch der Stadt Venedig zu Besuch kommen würde. Er habe den Auftrag, in den Klöstern die Einhaltungder Sittlichkeit und der Regeln des heiligen Benedikt zu
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