Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
Vom Netzwerk:
lieben mich und Alessia.«
    »Habt ihr Unzucht getrieben?«, fragte der Patriarch.
    Giulia sah sich hilfesuchend um, doch die anderen schauten betreten zu Boden.
    »Jedes Mal, wenn sie kamen, hatten wir die ganze Nacht Verkehr«, platzte Alessia heraus.
    »Das genügt!«, brüllte der Patriarch. »Ihr beiden werdet unter Arrest gestellt. Jetzt sagt mir noch, wo die beiden Männer wohnen.«
    »In der Calle di Teatro.«
    »Folgt mir!«, herrschte der Patriarch die Mädchen und die Äbtissin an. Er stürmte zum Besucherzimmer.
    »Was sind das für unanständige Gemälde an der Wand? Die lässt du sofort entfernen, Mathilda! Und jetzt wollen wir doch mal sehen, was sich im Cellarium für Schätze verbergen.«
    »Nein, nicht ins Cellarium«, flehte Suor Mathilda. »Schaut doch lieber in die Kleiderkammer, dort liegen Schätze an Schmuck und schönen Kleidern, die unsere adligen Nonnen mitgebracht und seit ihrer Weihe nicht mehr angerührt haben.«
    »Nichts da! Ich will das Cellarium sehen.«
    Der kleine Zug machte vor der Kellertür Halt.
    »Was sind das für merkwürdige Geräusche?«, wollte der Patriarch wissen.
    »Vielleicht haben sich ein paar Vögel hierher verirrt.« Suor Mathilda war puterrot geworden.
    »Wer hat den Schlüssel?«
    »Ich«, sagte Mathilda und drehte den Schlüssel im Schloss. Celina hörte ein aufgeregtes Gackern. Sie spürte einen Luftzug und sah eine Unmenge großer schwarzer Vögel auf sich zukommen. Die Nonnen stießen unterdrückte Schreie aus. Federn wirbelten durch die Luft, und die Tiere stoben die Kellertreppe herauf.
    »Ich glaube es nicht«, sagte der Patriarch. »Ihr habt hier einen ganzen Stall voll Hühner versteckt. Ich befehle, dass sie alle eingefangen und geschlachtet werden. Und du, Mathilda, wirst mir in den nächsten Tagen noch Rede und Antwort stehen.«
    Mit diesen Worten gab er seinen Begleitern ein Zeichen zum Gehen. Betreten blickten die Mädchen einander an.
    »Ich habe gesündigt, oh, wird mir diese Sünde je verziehen werden«, heulte Giulia.
    Alessia stieß sie in die Seite. »Hör auf zu flennen, dumme Gans. Du wirst ja, außer mit Arrest und ein paar Geißelhieben, nicht bestraft. Aber dein Buhle wird dran glauben müssen.«
    Hatte Alessia kein Herz? Celina war froh, als Suor Mathilda die Mädchen zur Ruhe rief und sie nach oben zum Mittagessen schickte.

6.
    Als die Sonne am nächsten Tag über die Berge stieg, war Christoph schon zwei Stunden unterwegs. Am Abend gelangte er in die Nähe von Oberammergau, nach einem zweiten, strammen Tagesritt, immer in der Angst, entdeckt zu werden, nach Mittenwald. Die herausgeputzten Häuser der Bürger und Kaufleute scharten sich um die Kirche, während die ärmlichen Katen der Handwerker und Bauern am Ortsrand standen. Die Straße aus dem Empfehlungsschreiben fand er bald, ohne jemanden fragen zu müssen. Es war das Haus des Kaufmanns Franz Pichler, breit und ausladend, mit hohem Giebel und tiefgezogenem Walmdach. Eine Magd mit Leinenhaube und Schürze öffnete ihm.
    »Wen darf ich den Herrschaften melden?«, fragte sie, indem sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. Statt einer Antwort übergab Christoph ihr den Brief. Nach einer Weile erschien sie erneut und führte ihn in ein Gemach, das mit orientalischen Teppichen, dunkel gebeizten, geschnitzten Truhen und behaglichen, lederbezogenen Lehnstühlen ausgestattet war. Von der Decke hingen Lüster aus Muranoglas. Der Mann, der ihm entgegenblickte, war mit einem blutroten Wams und einem Seidenhemd bekleidet. Seine dunklen Augen funkelten in dem grob geschnittenen Gesicht mit der leicht gebogenen Nase.
    »Seid willkommen in meinem Haus und nehmt Platz«, sagte er mit einer befehlsgewohnten Stimme. »Wie geht es Reinhard, dem alten Kämpfer?«
    »Er befindet sich auf seiner Burg und hat die üblichen Sorgen eines Burgherrn«, erwiderte Christoph.
    »In dem Schreiben werdet Ihr mir empfohlen«, fuhr der Kaufmann fort, »und Ihr kommt zur rechten Zeit. Gleich Morgen brechen meine Rottmänner mit einem Verband von Ganz- und Halbgut nach Italien auf. Sie werden den alten Handelsweg über Innsbruck und den Brennerpass nach Venedig gehen.«
    Christoph versuchte seine Verlegenheit zu verbergen, als er fragte: »Was ist das – Ganz- und Halbgut?«
    »Je nach der Richtung, die der Tross einschlägt, besteht das Ganzgut aus Seide, Baumwolle oder Gewürzen, das Halbgut aus Südfrüchten, Olivenöl, Metallen, Leinen, Schafwolle, Pelzen, Holzwaren und Salz.«
    »Und auf welche Weise
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher