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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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Sarg, als würde sie ihr eigenes Begräbnis erleben. Sie konnte kaum noch atmen. Ein Luftzug, es wurde wieder hell, der Wind pfiff immer noch durch die Kirchenfenster, die Nonnen sangen immer noch Litaneien.
    »Steh auf!«, befahl der Patriarch. Sie erhob sich langsam und steif.
    »Sprich mir nach: ›Ich gelobe Armut, Keuschheit und Gehorsam gegenüber diesem Kloster gemäß den Regeln des heiligen Benedikt.‹« Sie senkte den Kopf, was der Patriarch offensichtlich als Zustimmung auffasste.
    »Ich verheirate dich mit Jesus Christus, dem Sohn des allmächtigen Vaters, deines Beschützers. Daher empfange diesen Ring des Glaubens als Zeichen des Heiligen Geistes, dass du dazu berufen bist, die Gattin Gottes zu sein.«
    Wer hat mich dazu berufen? begehrte sie innerlich auf. Aber es hatte keinen Zweck, sich zu widersetzen. Sie ließ sich den schmalen Silberring an den Finger stecken. Die Nonnen sangen weiter, die Orgel setzte ein. In der Mitte einer Prozession wurde Celina zum Refektorium geleitet. Der Speisesaal war mit Säulen, Fresken und Bildern an den Wänden ausgeschmückt. Auf Tischen mit weißen Tüchern waren Speisen angerichtet, in Wein gegarte Meeräschen, Sardinen in ›saor‹, einer Marinade aus frittierten Zwiebeln, Essig, Gewürzen, Pinienkernen und Rosinen, Klippfisch und Krebse. Die anderen ließen sich lachend und lärmend nieder, Mönche und Nonnen, aßen nach Herzenslust, tranken Zitronenlikör und Wein und ließen sich zum Nachtisch süße Mandeltörtchen reichen.
    Celina saß wie versteinert in dieser Gesellschaft, die sich mit einem Mal so völlig gewandelt hatte. Hatte sie nicht gerade noch Armut und Gehorsam schwören müssen? Sie bekam keinen Bissen herunter, es würgte sie, wenn sie die Speisen nur ansah, und sie sehnte sich nach nichts mehr als nach Ruhe. Als nach Beendigung des Mahls eine Nonne zur Mandoline griff, entfernte sie sich aus dem Saal. Niemand bemerkte ihr Fortgehen. Von fern hörte sie Lachen und Musik. Sie gelangte in ihre Zelle, warf sich auf die Strohmatratze und weinte sich in den Schlaf.

4.
    Nachdem Christoph die Gegend um Augsburg verlassen hatte, gelangte er zwei Tage später nach Schongau. Diesen katholischen Ort konnte er nicht umgehen, da er den Empfehlungsbrief Reinhards bei sich trug. So durchritt er das Städtchen und sah sich dabei nach der Posthalterei um. Vor einem Fachwerkbau mitten im Ort standen ein paar Burschen, die ihm neugierig entgegenschauten. Christoph zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Gleich neben der Posthalterei befand sich ein Gebäude, aus dem helle Hammerschläge klangen. Zwei Pferde waren rechts und links der Tür an Eisenringe gebunden. Als Christoph die Schmiede betrat, schlug ihm die Hitze des Feuers entgegen, vor dessen Glut ein großer, kräftiger Mann Hufeisen bearbeitete. Der Schmied drehte sich um, und Christoph blickte in ein von Ruß geschwärztes freundliches Gesicht. Der Mann trug einen ledernen, dreckverkrusteten Schurz. Aus seiner Mütze quollen lange graue Haare hervor.
    »Ich suche Meister Haber«, sagte Christoph und zog das Empfehlungsschreiben aus dem Wams.
    »Der bin ich«, erwiderte der Mann lächelnd. »Wenn ich nicht das Eisen im Feuer habe, bewirte ich hungrige und durstige Gäste im Schankraum nebenan. Lesen habe ich nicht gelernt, aber ich kenne das Siegel von meinem alten Freund Reinhard. Auch ich nannte einmal eine Burg mein Eigen, bis die Not mich zwang, alles zu verkaufen.«
    »Habt Ihr ein Obdach für mich?«
    »Aber gewiss. Ich werde euch auch nicht fragen, warum Ihr aus unserem Land verschwinden wollt. Das wollt Ihr doch, nicht wahr?«
    »Ich will nach Venedig, um mich in der Buchdruckerkunst fortzubilden.« Das war nicht einmal gelogen. Christoph hatte wirklich vor, sich mit diesem Handwerk, das in der Lagunenstadt sehr verbreitet war, vertraut zu machen. Nachdem er sein Pferd einem Knecht übergeben hatte, führte Meister Haber Christoph in das Post- und Wirtschaftsgebäude. Über eine knarrende Stiege gelangten sie in eine Kammer. Christoph setzte sich auf die schmale Bettstatt und bat den Meister, ihm ein Barbiermesser zu bringen. Suchend schaute sich Christoph um. Wo sollte er den Rucksack mit den Büchern unterbringen? Er konnte ihn nicht einfach, für jeden sichtbar, im Zimmer stehen lassen. Gegenüber dem Bett stand eine einfache Truhe aus Eichenholz. Christoph nahm den Rucksack und legte ihn hinein.
    Als Haber zurückkam, brachte er neue Kleider mit, nach der italienischen Mode, wie er sagte, Pumphosen
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