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Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Titel: Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Autoren: Daria Charon
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dazu, zu sagen: »Willst du mir nicht Glück wünschen, Schwester?«
    Elaine presste die Lippen zusammen und lief aus dem Zimmer. Die anderen Mädchen beachteten sie nicht. »Wirklich? Wann geht es los? Holt man dich ab? In einer Kutsche? Bekommst du neue Kleider? Und Schuhe? Richtige Schuhe?«
    Marie wandte ihre Aufmerksamkeit Simone und Véronique zu. »Morgen muss ich zu Serrants Haus. Die Marquise nimmt mich in ihrer Kutsche mit. Von Kleidern hat sie mir nichts gesagt, auch nicht von Schuhen.«
    Die beiden Mädchen schwiegen enttäuscht, dann sagte Simone: »Egal, du gehst nach Paris. Das allein zählt.«
    »Richtig«, fiel Véronique ein. »Meine kleine Schwester geht nach Paris. Vielleicht wirst du die Zofe einer hochgestellten Dame. Vielleicht siehst du sogar Versailles.«
    »Kommt jetzt zu Tisch.« Ihre Mutter stand in der Tür. »Sonst essen Antoine und Etienne alles alleine auf.«
    Sie setzten sich an den großen Küchentisch und füllten ihre Teller mit dem Inhalt der Kasserolle. Ihr Vater schnitt dicke Scheiben vom Brotlaib und reichte sie weiter. Zur Feier des Tages hatte er eine Flasche Wein geöffnet.
    Alle waren fröhlich. Nur Marie, Elaine und ihre Mutter blieben schweigsam. Elaine stocherte in ihrem Teller herum und aß kaum zwei Löffel. Sobald die Mahlzeit beendet war, murmelte sie, dass sie nach den Hühnern sehen wollte, und verschwand.
    Marie half gemeinsam mit den beiden anderen Mädchen den Tisch abräumen und holte Wasser vom Brunnen, um den großen Kessel über der Feuerstelle wieder aufzufüllen. Ihre Mutter trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter. »Ich wünschte, du würdest nicht gehen.«
    »Aber maman, was redest du denn da?« Marie drehte sich um und stellte fest, dass die Augen ihrer Mutter in Tränen schwammen.
    »Paris ist so weit weg. Ich bin sicher, dort ist alles anders. Auch die Menschen ...«
    »Die Menschen sind überall gleich, maman«, entgegnete Marie unbekümmert. »Und du musst ein Maul weniger stopfen.«
    »Ich habe Angst um dich. Du bist meine jüngste Tochter, das letzte Kind, das ich in meinem Leben geboren habe. Dich wollte ich im Alter um mich haben.«
    »Aber Elaine ist doch da.«
    »Elaine ist nicht du. Alles, was sie tut, tut sie widerwillig. Sie hadert mit dem Schicksal, sie hasst sich selbst und alle Menschen um sich herum.«
    Marie versuchte, Mitgefühl zu empfinden, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte nach Paris, es war ihr egal, ob sie ihrer Mutter Schmerz zufügte. Claire Callière konnte ihre Sehnsucht nicht verstehen. Sie war nie über Trou-sur-Laynne hinausgekommen. Sie war hier geboren worden, aufgewachsen, hatte den Sohn vom Nachbarhof geheiratet und selber Kinder geboren.
    Dieses Leben konnte und wollte Marie nicht führen. Nicht, wenn sich ihre diese unglaubliche Möglichkeit bot. Und niemand würde ihr die Chance nehmen, alles besser zu machen.
    »Mama«, wiederholte sie leise. »Ich will nach Paris gehen, Papa hat mit der Marquise bereits alles beschlossen. Morgen früh reise ich mit ihr ab.«
    »Ich habe Angst um dich.« Die Stimme ihrer Mutter zitterte.
    »Das brauchst du nicht. Mir wird es gut gehen. Ich werde zusehen, dass ich diese Möglichkeit nutze. Wenn ich wirklich eine gut bezahlte Stelle gefunden habe, dann lasse ich Simone und Véronique nachkommen. Vielleicht kann ich euch auch Geld schicken. Du wirst sehen, alles wird gut.«
    Sie umarmte ihre Mutter und drückte sie fest an sich. Doch als Marie sie losließ, hatte sich der kummervolle Ausdruck auf dem Gesicht der Mutter nicht geändert. Trotzdem lächelte sie unter Tränen. »Ach, Marie, wenn es nur so wäre.«
    »Mach dir keine Sorgen, maman, mir wird es gut gehen. Glaub mir«, wiederholte Marie und versuchte, ihre Ungeduld zu zügeln. Warum wollte ihre Mutter nicht verstehen, welche Chance sich ihr bot? Warum jammerte sie herum, statt sich mit ihr zu freuen?
    »Ich gehe Elaine zur Hand«, murmelte sie hastig und wandte sich ab, um das tränenüberströmte Gesicht ihrer Mutter nicht länger sehen zu müssen.
    Draußen lehnte sie sich an die Hauswand und atmete mit geschlossenen Augen tief ein. Die Sonne stand bereits tief, aber das Holz strahlte die Hitze des Tages ab. In den Bäumen zirpten die Grillen, und von ferne erklang das Bellen zweier Hunde. Marie öffnete die Augen. Unvermittelt wurde ihr bewusst, dass sie zum letzten Mal hier stand.
    Simone trat aus der Tür. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, sagte sie schließlich: »Ich wünsch dir Glück, Marie. Mach
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