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Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Titel: Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Autoren: Daria Charon
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sich beruhigt hatte. Vorsichtig öffnete Marie die Augen.
    Leons Gesicht glühte, seine Pupillen waren geweitet, und sein Atem ging stoßweise. Seine Hände gruben sich in ihr Fleisch, und seine Erektion presste sich durch seine Hose hart gegen ihre Hüfte.
    Marie schluckte. Noch nie hatte sie derart unverhülltes Verlangen im Antlitz eines Mannes gelesen. Sie hegte keinen Zweifel, dass die Stunde der Wahrheit gekommen war. Die verspielten Zärtlichkeiten der vergangenen Treffen waren nur harmloses Geplänkel gewesen, ausgerichtet auf diesen einen Augenblick.
    Unbewusst hielt sie die Luft an, während sie darauf wartete, dass das Unausweichliche passierte und die Pläne für ihr weiteres Leben ein für alle Mal zunichte gemacht wurden.
    Leon blinzelte, als müsste er sich jäh in einer neuen Situation zurechtfinden. Dann wanderten seine Hände zu ihren Schultern und er stieß sie grob von sich.
    »Verschwinde«, keuchte er. »Verschwinde, ehe ich es mir anders überlege.«
    Marie taumelte nach hinten und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Sie traute ihren Ohren nicht, aber sie wollte keinesfalls die Probe aufs Exempel machen. Fahrig griff sie nach ihrem Kleid, streifte es über ihren nackten Körper und raffte die restlichen Sachen so schnell sie konnte zusammen. Sie behielt Leon im Auge, doch er wandte sich ab und lehnte sich an einen Pfosten, wobei er ihr den Rücken zukehrte.
    Am Tor der Scheune blieb sie noch einmal stehen. »Danke, Leon. Ich danke dir«, stammelte sie unbeholfen und flüchtete nach draußen.
    Sie schloss die Knöpfe des Kleides und ordnete ihr Haar, so gut es eben ging. Noch immer wagte sie nicht zu hoffen, dass das Schicksal es gut mit ihr meinte. Aber sooft sie sich auch umdrehte, niemand folgte ihr. Sie verlangsamte ihre Schritte und versuchte sich zu beruhigen.
    In sicherer Entfernung schlüpfte sie in ihre Unterröcke und faltete das Hemd so klein zusammen, dass es in die Tasche ihres Kleides passte. Zu ihrer Erleichterung hatten sich ihre Geschwister bereits schlafen gelegt, nur ihre Mutter saß mit einer Flickarbeit am Küchentisch. Im Schein der Talgfunzel glänzten die wenigen blonden Haare zwischen den grauen Strähnen.
    Die Vertrautheit dieses Bildes zog Maries Herz zusammen. Seit sie denken konnte, saß ihre Mutter an diesem Tisch und erledigte, was gerade anfiel. Ohne nachzudenken, lief Marie zu ihr und legte ihr die Arme um den Hals. »Ich werde dich vermissen, maman.«
    »Ich dich auch, Marie.« Ihre Stimme klang liebevoll. »Ich hatte kein Recht, dir mit meinen Bedenken die Freude zu nehmen. Ich bin sicher, du wirst dein Glück machen.«
    Marie nickte stumm. Jetzt schwammen ihre Augen in Tränen, und in ihrer Kehle saß ein dicker Kloß, der sie am Sprechen hinderte. Deshalb drückte sie die zarte Gestalt ihrer Mutter fest an sich und streichelte den schmalen Rücken.
    »Und wenn nicht, dann kannst du jederzeit wieder zu mir zurückkommen, meine Tochter.« Sie strich sanft über Maries Wange und hauchte einen Kuss darauf. »Vergiss das nicht. Was auch passieren mag, ich bin immer für dich da.«

3
    Marie drückte sich die Nase an der Scheibe der Kutsche platt. Nach Tagen in dem engen schaukelnden Gefährt rückte das Ziel der Reise endlich näher. Die Abstände zwischen den Anwesen entlang der Landstraße verkürzten sich zunehmend, und schließlich fuhren sie an dichten Hauserzeilen entlang, ehe sie das Stadttor passierten.
    Ihr erster Eindruck von der Stadt, die sie immer als leuchtenden Stern betrachtet hatte, war enttäuschend. Nichts Glanzvolles haftete den grauen Fassaden an, und die kleinen Läden, an denen sie vorbeikamen, sahen nicht anders aus als jene, die sie einmal in Le Puy gesehen hatte.
    Über der Stadt hing eine übel riechende Dunstglocke. Die Räder der Fuhrwerke, die die Straßen verstopften, versanken im morastigen Boden. Mühsam kämpfte sich die Kutsche einen Hügel hinauf und hielt schließlich vor einem Haus in der Rue Mouffetard, in der sich ein imposantes Gebäude an das andere reihte.
    In einiger Entfernung konnte Marie die Umrisse eines Palastes erkennen. Das musste das Palais du Luxembourg sein, eines der königlichen Schlösser, von dem die Marquise gesprochen hatte. Ein livrierter Lakai eilte herbei, öffnete den Schlag der Kutsche und klappte das Treppchen nach unten.
    Die Marquise stieg aus und ging ohne ein weiteres Wort ins Haus. Marie nahm die Hand des Lakaien und stützte sich darauf, als sie das winzige Treppchen betrat. Bei der
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