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Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Titel: Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Autoren: Daria Charon
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wie weich es ist.« Auffordernd hielt er es ihr entgegen.
    »Vielleicht später, Jacques. Bring es jetzt zu seiner Mutter zurück.« Sie wollte alleine sein, sie wollte sich nicht mit ihm abgeben.
    »Es geht dir bestimmt besser, wenn du es hältst und streichelst«, beharrte er und untermalte seine Worte mit einer nachdrücklichen Geste. Erbost über diese Behandlung, grub das Kätzchen seine winzigen Zähne in Jacques' Daumen. Er schrie auf und leises Knacken ertönte. Das Fauchen verstummte und der Kopf des Kätzchens fiel schlaff zur Seite. Die Spitze der rosigen Zunge hing aus seinem Maul.
    Jacques starrte auf seine Hände. »Nein«, murmelte er dann, »nein, das wollte ich nicht. Nicht schon wieder.«
    Ghislaine hob langsam den Kopf. Eine kalte Hand strich über ihren Rücken. »Nicht schon wieder?«, echote sie alarmiert. »Ist das schon einmal passiert?«
    Er blickte sie nicht an, sondern strich mit dem Finger über den kleinen Kopf.
    »Ich habe dich etwas gefragt, Jacques«, sagte Ghislaine scharf. »Antworte mir.«
    »Du wirst böse sein«, murmelte er undeutlich.
    Sie bemühte sich um Beherrschung. »Nicht, wenn du mir erzählst, was geschehen ist.«
    »Ich habe es nicht absichtlich gemacht.« Er zupfte am Ohr der toten Katze. »Wirklich nicht. Ich wollte nur nicht, dass du weinst.«
    »Was hast du nicht absichtlich gemacht?« Sie versuchte, ihre Stimme nicht schrill vor Angst klingen zu lassen.
    »Auf dem Fest bei Henri. Ich bin weggelaufen, weil ich zur Menagerie wollte. Aber dort war alles versperrt, also bin ich zurück in den Saal, ehe du bemerkst, dass ich weg war. Aber du warst nicht dort. Also hab ich dich gesucht. Du hast mir erzählt, dass du früher gerne zu dem Pavillon auf dem Hügel gegangen bist. Dort habe ich dich gesucht. Aber du warst nicht da. Ich habe bloß Tris' Pastillendose gefunden. Ich wollte sie ihm später zurückgeben. Vom Hügel aus hab ich gesehen, wie du mit dem Comte de Saint-Croix gestritten hast und wie du nachher geweint hast. Da bin ich schnell hinunter. Ich wollte ihm sagen, dass er dich nicht ärgern darf, dass ich nicht will, dass du weinst und traurig bist.« Er brach ab.
    »Was ist dann passiert?« Ghislaines Herz hämmerte.
    »Er hat gelacht. Er hat mich ausgelacht. Und mich einen nichtsnutzigen crétin genannt, der nicht das Recht hat, seinen Nachttopf zu leeren. Er wollte mir nicht versprechen, dass er dich nicht mehr ärgert.« Wieder schwieg er und hielt seinen Blick auf das tote Kätzchen in seiner Hand gesenkt.
    »Ich wollte ihn nur schütteln und ihm Angst machen. Ich bin ja so viel größer als er. Aber er hörte nicht auf zu lachen, und da drückte ich seinen Hals. Nur ein bisschen, Ghislaine, wirklich nur ein bisschen, aber plötzlich war sein Gesicht ganz rot, und er fiel zu Boden, als ich ihn losließ, und rührte sich nicht mehr.«
    »Warum hast du mir nichts erzählt?«
    »Weil du dann böse auf mich gewesen wärst, ich hätte nicht alleine zur Menagerie laufen dürfen. Und ich wusste nicht, wie ich dir das mit dem Comte sagen sollte, denn da hättest du mich wieder ausgeschimpft und mich nicht mehr zu Henri mitgenommen. Darum habe ich gesagt, dass ich krank bin am nächsten Morgen, und bin in meinem Zimmer geblieben, bis wir abgereist sind.«
    Ghislaine versuchte zu verarbeiten, was er ihr da erzählte. Er hatte den Comte getötet, und Tris war dafür in die Verbannung geschickt worden. Auf grausame Weise hatte Jacques ihr Leben ein zweites Mal zerstört.
    »Bist du mir böse? Bitte sag, dass du mich lieb hast. Ich wollte nicht weglaufen, ich wollte dem Comte nichts tun.« Er sah sie mit dem bettelnden Blick eines Fünfjährigen an, der eine Glasscheibe im Salon zerbrochen hatte.
    Sie kämpfte mit sich. Eine Gerichtsverhandlung würde Jacques nicht überstehen. Ihn dessen auszusetzen, ihn in einem feuchten Verlies zu wissen, bis der Galgen gezimmert war und man ihn öffentlich mit Gespött und Geschrei aufknüpfte, konnte sie vor sich selbst nicht verantworten. Es kam dem Verrat an einem unmündigen, hilflosen Kind gleich. Das konnte sie Jacques nicht antun. Der Comte war tot und Tris für sie verloren. Gott hatte gewürfelt.
    »Ich bin dir nicht böse. Es war sehr lieb von dir, dass du versucht hast, dem Comte zu sagen, dass er mich nicht mehr ärgern soll. Doch bevor du so etwas noch einmal tust, sag es mir oder sag es Richard. Versprichst du mir das?«
    Er nickte so eifrig, dass seine blonde Locken flogen. »Ja, ich verspreche dir alles, wenn wir
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