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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt
Autoren: Jon Land
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der Ladefläche des Jeeps, der gerade das Tor passiert hatte, war ein großkalibriges Maschinengewehr postiert, und einige Insassen des Wagens versuchten, die Waffe auszurichten und in das Gefecht einzugreifen. Die Soldaten, die sich auf dem Lastwagen befunden hatten, waren vor dem Tor hinabgesprungen. Einige schossen bereits, was nur zu der stakkatohaften Symphonie beitrug. Andere waren einfach in Deckung gesprungen.
    Christopher Hanley hatte sich mittlerweile zitternd hinter einem Gebüsch zusammengekauert und wandte dem plötzlichen Chaos den Rücken zu. Die Männer, die der Fußball-Bombe zum Opfer gefallen waren, lagen mit schweren Verletzungen nur ein paar Meter vom Jungen entfernt auf dem Boden.
    Hedda kniete neben Christopher nieder.
    »Nein!« schrie er.
    »Ich bin hier, um dich zu befreien«, sagte sie, und ihr perfektes Englisch ließ den Jungen aufblicken.
    Sein Gesicht war schmutzbefleckt und verzerrt vor Angst. Hedda riß ihn auf die Füße. »Bleib bei mir! Was auch passiert, bleib bei mir!«
    Sie schirmte ihn mit ihrem Körper ab und rannte in den letzten Sekunden des Maschinengewehrfeuers zum Haus zurück. In dessen Innerem stürmten uniformierte Gestalten die Treppe hinab.
    »Ich habe ihn!« rief Hedda ihnen mit einer Stimme entgegen, die sie so tief verstellt hatte, daß sie wie die eines Mannes klang.
    Ihre Verkleidung war nicht dazu geschaffen, einer genauen Musterung standzuhalten, doch das war auch nicht wichtig. Die heranstürmenden Wachen bemerkten erst, daß etwas nicht stimmte, als sie sich auf gleicher Höhe mit Hedda befanden – und da spuckte ihre Maschinenpistole schon Blei. Den Jungen hatte sie hinter sich geschoben. Als es vorüber war, zog sie ihn wieder an ihre Seite und zerrte ihn von den Fenstern weg, für den Fall, daß die Schüsse die Aufmerksamkeit der Männer draußen erregt hatten. Hedda vermutete, daß ihr jetzt nur noch die Flucht durch den hinteren Teil der Residenz blieb. Sie erreichte die Hintertür, durch die sie sich Zutritt verschafft hatte, hielt dann jedoch inne.
    Allein könnte ich es schaffen. Aber mit dem Jungen, verfolgt von der Verstärkung auf dem Lastwagen, allein in einer feindlichen Stadt …
    Außerhalb der Residenz, außerhalb dieser Mauern gab es keine Hoffnung für sie – noch nicht jedenfalls. Ihre beste Chance auf Erfolg und Überleben lag nun in dem Gebäude selbst.
    »Hier entlang!« sagte sie und zerrte Christopher Hanley zurück zum vorderen Teil des Hauses.
    »Nein!« protestierte er und versuchte, sich irgendwo festzuklammern.
    »Es ist die einzige Möglichkeit«, sagte Hedda in so beruhigendem Tonfall, wie sie ihn zustandebringen konnte. »Du mußt mir vertrauen.«

4
    »Ich habe den vorgesetzten Stellen mitgeteilt, daß ich Sie hier nicht sehen will«, lauteten Dr. Alan Vogelhuts erste Worte an Kimberlain. »Ich habe ihnen gesagt, daß wir Sie nicht brauchen.«
    »Haben Sie Leeds und die anderen gefunden?« Und als Vogelhut nicht antwortete: »Dann brauchen Sie mich vielleicht doch.«
    »Ich erwarte jeden Augenblick einen Anruf von Lauren Talleys Vorgesetzten.«
    »Die haben zur Zeit anderes zu tun, Herr Doktor. Zum Beispiel, das Durcheinander aufzuräumen, das hier durch Ihre Schuld entstanden ist. Ersparen Sie's sich, neben dem Telefon zu warten.«
    Sie befanden sich in Vogelhuts Büro in dem kleinen Verwaltungsflügel der Anstalt, der sich von außen hauptsächlich durch das Vorhandensein von Fenstern erkennen ließ, die bei den meisten anderen Trakten fehlten. Vogelhut hatte seinem Besucher keinen Stuhl angeboten, und Kimberlain hatte sich nicht gesetzt. Das Büro roch nach starkem, abgestandenem Kaffee. Vogelhuts Kleidung war zerknittert, sein Gesicht verkniffen. Wenn er überhaupt geschlafen hatte, hatte es ihm nicht viel geholfen.
    »Sie befürchten, wegen dieser Sache Ihren Job zu verlieren«, sagte Kimberlain plötzlich.
    »Daran müssen Sie mich nicht erinnern.«
    »Ich kann Ihnen helfen.«
    Vogelhut öffnete den Mund, sagte aber nichts.
    »Wir haben das gleiche Ziel, Herr Doktor. Daß Leeds und die anderen wieder hierher gebracht werden, wohin sie gehören.«
    »Draußen sucht schon eine ganze Armee nach ihnen.«
    Kimberlain schüttelte den Kopf. »Die Leute wissen nicht einmal, wo sie anfangen sollen.«
    »Wir haben alles unter Kontrolle.«
    »Ach ja, Herr Doktor?« Kimberlain trat näher an ihn heran, bis seine Schenkel Vogelhuts Schreibtisch berührten. »Eine interessante Gruppe, die neulich einfach hier herausspaziert
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