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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt
Autoren: Jon Land
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dunklere Färbung des Leders handelte es sich um ein genaues Duplikat des Balles, mit dem die Entführer den Jungen am Vortag für ein Spiel zu interessieren versucht hatten. Sie hielt ihn so, daß man ihn deutlich sehen konnte, während sie über die Straße ging. Auf dem Bürgersteig ließ sie ihn ein paarmal auf und ab hüpfen und warf ihn dann beiläufig über den Zaun, dorthin, wo die Entführer am Vortag mit ihrem eigenen Ball gespielt hatten. Das alles sah völlig harmlos aus, falls sie beobachtet werden sollte: Sie hatte einen Ball geholt, der über die Mauer geschossen war, und zurück auf den Hof geworfen.
    Hedda hörte, wie der Ball zweimal auf und ab sprang, bevor er weiterrollte. Als vom Hof weder Lärm noch Rufe erklangen, atmete sie auf. Jetzt war alles vorbereitet.
    16 Uhr 35.
    Christopher Hanley würde jede Minute herauskommen. Hedda ging auf dem vorgesehenen Weg des Postens weiter, den sie gerade getötet hatte.
    Das Tor, das den Zutritt zum Hof ermöglichte, befand sich auf zwei Drittel Höhe der rechten Mauerseite vor ihr. Es war selbst jetzt von innen verschlossen, doch sie hatte die Konstruktion des Schlosses lange genug durch das Fernglas studiert, um es mit einem Dietrich in höchstens acht Sekunden knacken zu können. Sie würde den Hof genau in dem Augenblick betreten, wenn für die ideale Ablenkung gesorgt war: sobald die junge Geisel auf dem Innenhof erschien und alle Blicke auf sich zog.
    Hedda brauchte nicht zu sehen, wie Christopher Hanley hinausgeführt wurde; sie hörte, wie laut gesprochen wurde, und dann erklang auch schon das dumpfe Geräusch, mit dem jemand gegen den Fußball trat.
    Gegen den ihren oder den meinen? fragte sie sich.
    Sie erreichte das Tor und hatte das Schloß in knapp sieben Sekunden geknackt. Sie schwang es auf und zog es hinter sich wieder zu.
    Hedda ging schnellen Schrittes über den Hof zum hinteren Ende des Hauses. Der Junge saß wie zuvor auf der Bank. Er stampfte trotzig mit den Füßen auf und starrte zu Boden, während sich seine Entführer den Fußball zuspielten.
    Nein, zwei Fußbälle. Sie spielten gleichzeitig mit ihrem eigenen und dem Heddas. Einer landete weit weg im Gebüsch. Hedda hielt den Atem an, denn sie befürchtete, es sei ihr Ball. Doch dann erkannte sie an den etwas helleren Ledervierecken, daß jener Ball im Gebüsch gelandet war, mit dem die Terroristen Christopher Hanley zum Mitspielen zu verleiten versucht hatten. Ausgezeichnet.
    Sie ging keine zwei Meter an dem Jungen vorbei und wäre versucht gewesen, Augenkontakt mit ihm aufzunehmen, hätte er nicht geistesabwesend zu Boden geschaut.
    Du wirst hier raus sein, bevor du es richtig mitbekommst, dachte sie, als könne der Junge Gedanken lesen. Ich verspreche es dir …
    Christopher Hanley hob leicht den Kopf, als hätte jemand seinen Namen gerufen, und senkte ihn dann wieder. Hedda hatte das Haus erreicht und ging weiter. Nachdem der Junge nun draußen war, konzentrierten sich alle Blicke auf ihn, und sie hatte den nötigen Handlungsspielraum.
    Zwei Wachen gingen auf der Rückseite der heiligen Residenz Streife, während ein dritter neben der Tür Posten bezogen hatte. Hedda zerrte ihre schallgedämpfte 9-Millimeter-Pistole aus dem Gürtel und hielt sie an der Hüfte verborgen. Ohne das geringste Zögern ging sie direkt auf den Posten an der Tür zu. Die beiden anderen konnten sie nun sehen, achteten jedoch nicht auf sie.
    »Was haben …«
    Das waren die beiden einzigen Wörter, die der Mann noch hervorbringen konnte, bevor Hedda ihm die Pistole an die Rippen hielt und zweimal abdrückte. Sie hielt den Mann fest, als sei er nur ein Federgewicht, öffnete die Tür und zerrte ihn mit sich hinein. Zu ihrer Rechten befand sich eine kleine Nische. Dort ließ sie die Leiche fallen; dann zog sie die Tür wieder zu.
    Sie hörte, wie im Stockwerk über ihr eine Tür geschlossen wurde. Hedda erreichte die prunkvolle, breite Treppe, die nach oben führte, in dem Augenblick, als ein etwas älterer Mann in Uniform herunterkommen wollte. Ihre Blicke trafen sich – und der des Mannes verriet Hedda genug. Sie schoß ihm in den Kopf, und der Uniformierte brach zusammen. Der Lärm lockte einen Palästinenser, der keine Kopfbedeckung trug, aus dem vorderen Teil des Hauses heran, und er griff beim Laufen nach seiner Pistole. Hedda schoß ihm dreimal in die Brust und ging weiter.
    Ein weiterer Posten sprang aus einer Türöffnung und griff nach ihrer Pistole. Sie sah, wie sein Mund sich zu einem Schrei
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