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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt
Autoren: Jon Land
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Schokoriegel hatte die Zeitungen und Nachrichtensprecher dazu gebracht, ihn mit dem Spitznamen ›Candy Man‹ zu belegen. Der Fährmann hatte versucht, seine Spur aufzunehmen, nachdem eine Mutter aus Peekshill, New York, während des Verzehrs eines Schokoladenriegels vor den Augen ihrer Kinder gestorben war.
    Das FBI hatte schließlich fünfzehn Geschäfte in zehn verschiedenen Staaten ermittelt, in denen vergiftete Lebensmittel gekauft worden waren, doch kein bestimmtes Muster feststellen können. Kaufhäuser, Supermärkte, Tante-Emma-Läden und Drogerien – der Candy Man suchte anscheinend die Läden, in denen er seinen Tod verteilte, mit uncharakteristischer Zufälligkeit aus. Kimberlain las die Akten immer und immer wieder durch, bis ihm schließlich der entscheidende Punkt auffiel.
    Der Candy Man gab sich nicht lediglich damit zufrieden, seine vergifteten Produkte auf die Regale zu legen und wieder zu verschwinden. Seine Befriedigung gewann er daraus, seine Opfer zu beobachten, wenn sie das Produkt kauften, vielleicht sogar auf dem Rückweg zum Wagen auf dem Parkplatz das Papier vom Schokoriegel rissen. Darin lag für ihn das perverse Vergnügen an der ganzen Sache. Seine Tat war sinnlos, wenn er nicht Zeuge war.
    Der Candy Man hat in den Geschäften gearbeitet. Verdammt, er hat in allen Geschäften gearbeitet!
    Das FBI hatte jedem einzelnen Angestellten in allen Geschäften die Fingerabdrücke abgenommen, aber nur Nieten gezogen. Doch Kimberlain wußte, daß man die Fingerspitzen anderer Personen mit Lack überziehen und ihn dann, nachdem er getrocknet war, wieder vorsichtig abziehen konnte. Mit einem klein bißchen Klebstoff zur richtigen Zeit konnte man sich dann neue Fingerabdrücke beschaffen, die jeder Überprüfung standhalten würden. Daher las Kimberlain sorgfältig die Niederschriften aller Gespräche, die das FBI mit sämtlichen Beschäftigten der dreizehn Läden geführt hatte. Als er das Protokoll des fünften Geschäfts gelesen hatte, kannte er das Aussehen des Täters. Anrufe am nächsten Morgen bei allen dreizehn Geschäften bestätigten, daß der fragliche Mann tatsächlich unmittelbar nach jedem Zwischenfall gekündigt hatte. Verschiedene Namen, verschiedene Sozialversicherungsnummern. Keine Fotos.
    Die Abteilung Verhaltenswissenschaft ließ sich von allen Läden ausführliche Beschreibungen des jeweiligen Verkäufers geben. Es überraschte Kimberlain nicht, daß sie – abgesehen von der Körpergröße – allesamt völlig unterschiedlich ausfielen. Verschiedene Augen- und Haarfarbe; in einem Fall humpelte, in einem anderen stotterte er. Der Candy Man ließ niemanden sein wahres Ich sehen.
    Doch die Beschreibungen sagten immerhin soviel aus, daß man ein Phantombild anfertigen konnte. Innerhalb von drei Tagen hatte man das Bild an alle Geschäfte in den USA geschickt, und zwei Tage darauf kam der Anruf.
    Der Candy Man befand sich in Key Biscayne, Florida, und arbeitete als Kassierer in einem Winn-Dixie-Supermarkt. Kimberlain stand ihm Auge in Auge an der Kasse gegenüber, als die FBI-Agenten mit schußbereiten Waffen aufmarschierten.
    Fünf Stunden später fanden sie drei vergiftete Flaschen Limonade. Dem Fährmann lief es kalt über den Rücken, als er sich vorstellte, wie dieses Ungetüm lächelnd den Preis eintippte und dem Käufer dann noch einen schönen Tag wünschte, während er die Einkaufstüte in den Wagen stellte.
    Der Candy Man wurde später als Andrew Harrison Leeds identifiziert. Leeds bestritt seine Verbrechen nicht und wurde nach einer psychiatrischen Untersuchung in ›The Locks‹ eingewiesen. Damit hätte der Fall eigentlich abgeschlossen sein können, doch als Kimberlain an der Kasse stand und in die eiskalten Augen des Mannes sah, war er überzeugt, daß das Vergiften von Lebensmitteln nur die Spitze von Leeds' höllischem Eisberg war. In der Tat hatte das, was Kimberlain herausgefunden hatte, als Leeds schon in der Anstalt saß, ihn zu einem Stoßgebet bewogen, die Welt möge nie wieder von diesem Ungetüm hören.
    Doch nun würde sie wieder von ihm hören, und nicht nur von Leeds. Dreiundachtzig andere waren mit ihm entkommen, befanden sich wieder in Freiheit, in der Welt, die sie schon einmal terrorisiert hatten und wieder terrorisieren würden. Dreiundachtzig plus Leeds …
    Diese Aussicht rief eine Gänsehaut auf Kimberlains Rücken hervor.
    Der Mann, der sich am Ufer von Cape Stone zwischen den Bäumen verborgen hatte, beobachtete, wie das Boot sich dem Dock
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