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Die Naschkatzen

Die Naschkatzen

Titel: Die Naschkatzen
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zusammenzuckte, vermutlich weil ›Unterschicht‹ ein wirklich unterschichtmäßiger Ausdruck war. ›Ich werde nie begreifen, warum Stephen eine seiner Verkäuferinnen geheiratet hat‹, hatte er sie einst zu seinem Vater sagen hören. ›Seine Mutter muss sich im Grabe umdrehen.‹
    »Das reicht«, sagte Stephen jetzt. »Wir haben diese Sitzung schon durch unsere Verspätung aufgehalten, also lass uns nicht noch mehr Zeit mit Klatsch vergeuden.«
    »Seid ihr in Ordnung?«, erkundigte sich Liz, und Virginia nickte.
    »Moment mal, sie drehen einen Film?«, fragte Hildy, und Virginia nickte erneut.
    »Der Wasserturm steht an«, sagte Phin und unterdrückte sein eigenes Interesse an der Neuigkeit, um die Sitzung hinter sich zu bringen. Falls tatsächlich jemand einen Film drehte, würde die ganze Stadt sowieso bis zum Einbruch der Dunkelheit jede Einzelheit kennen. »Stephen, du hast ihn auf die Tagesordnung gesetzt.«
    »Selbstverständlich habe ich das.« Stephen sammelte sich. »Der Wasserturm ist eine Schande.«
    »Nun ja, weiße Farbe sieht wenige Wochen nach dem Anstrich ziemlich schmuddelig aus -«, setzte Hildy an.
    »Ich habe um halb fünf eine Verabredung auf der Whipple-Farm, und um sechs eine Theaterprobe«, raunte Frank Phin zu, während Hildy das »Schmuddel«-Problem weiter ausführte. »Carousel. Ich spiele die Hauptrolle.« Phin nickte zu seinen Worten und versuchte, sich nicht vorzustellen, wie der zweiundvierzigjährige Frank als jugendlicher Held erhobenen Hauptes durch einen Sturm schritt.
    »- und deshalb dachte ich, er würde pfirsichfarben besser aussehen«, schloss Hildy.
    Stephen meinte: »Lieber Himmel, Hildy, hier geht es nicht um deine Bettwäsche. Es ist ein Wasserturm, und der hat weiß zu sein - alle Wassertürme sind weiß.«
    Hildy rümpfte die Nase. »Der Wasserturm in Groveport ist blau.«
    »Mein Gott, Groveport.« Stephen ließ die vier Wähler in der ersten Reihe nicht aus den Augen, als er sich wieder an Phin wandte. »Ein kompetenter, interessierter Bürgermeister würde in diesem Fall seine Bürgerpflicht tun. Es gilt, gewisse Familienwerte zu schützen.«
    Fängt das schon wieder an , dachte Phin. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihn die Art und Weise, wie Stephen sich marktschreierisch ins rechte Licht zu setzen versuchte, zur Weißglut gebracht, doch nach neun abstumpfenden Jahren als Bürgermeister konnte ihn nichts mehr aus der Fassung bringen. Er wartete ab, bis Stephen Dampf abgelassen hatte, und sagte: »Hildy, ich bin auch der Meinung, dass nur Leute mit schmutzigen Fantasien etwas anderes darin sehen als einen Wasserturm, aber es scheint jede Menge Leute mit schmutzigen Fantasien zu geben. Uns droht jetzt jeden Tag ein Unfall, weil alle vom Highway abfahren werden, um den Turm zu fotografieren. Hier geht es um eine Frage der Sicherheit.« Phin suchte verständnisvoll Hildys Blick.
    Hildy sah ihn an, als sei er ein Republikaner.
    »Es ist eine Schande«, beharrte Stephen, erneut an die erste Reihe gewandt. »Nennen Sie so etwas Führungsqualitäten?«
    »Ich habe eine Verabredung und anschließend Theaterprobe«, verkündete Frank. »Ich spiele Billy Bigelow. Carousel. Ich darf nicht zu spät kommen.«
    Dafür war ich sechs Jahre lang auf der Universität , dachte Phin. »Lasst uns abstimmen.«
    »Ihr braucht einen Antrag«, sagte Rachel, noch immer über ihren Schreibblock gebeugt.
    »Ich beantrage, dass der Wasserturm wieder wie früher rot-weiß gestrichen wird«, sagte Stephen. »In den Schulfarben. So hätte er immer bleiben -«
    Phin seufzte. »Beantrage doch bitte einfach, dass wir den Wasserturm neu streichen, Stephen.«
    »Ich beantrage, den Wasserturm rot-weiß zu streichen«, wiederholte Stephen.
    »Ich unterstütze den Antrag«, ließ sich Virginia neben ihm selbstzufrieden vernehmen.
    Die Abstimmung ging drei gegen drei aus, wobei Stephen, Virginia und Liz für den neuen Anstrich votierten und Hildy, Ed und Frank — »Ich bringe ein Theaterplakat dort an, das ist eine gute Werbung« - dafür stimmten, die Pfirsichfarbe beizubehalten.
    »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du eine ewige Jasagerin bist?«, fragte Hildy Virginia schnippisch, die sich versteifte und an ihrer Jacke herumnestelte.
    »Virginia folgt ihrem Gewissen, Hildy«, sagte Stephen salbungsvoll.
    »Stimmengleichheit«, sagte Rachel über Hildys verächtliches Grunzen hinweg. »Die Entscheidung liegt beim Bürgermeister. Tucker.«
    »Ich bin dafür«, sagte Phin. »Tut mir
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