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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte
Autoren: Andrew Harman
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anging, gleich null war.
    Zahlen: Darauf lief letztlich alles hinaus. Er hatte die falschen. Seit eh und je schon. Seit dem Tag seiner Geburt.
    Für einen Axolotianer bedeutete eine Zahl nicht lediglich nur eine bestimmte Quantität oder Menge. Jede Nummer, jede Ziffer besaß eine ganz spezifische, geheimnisvolle Qualität, die sich in manchen Fällen von ihrem Erscheinungsbild und ihrer Form herleitete: Etwa die Zahl 1, deren einfache, stramm aufgerichtete Gestalt seltsamerweise seit jeher mit ›Fertilität‹ assoziiert wurde. In einigen anderen Fällen war diese Qualitätszuweisung durch die Besonderheiten gewisser traditionsreicher Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens verursacht. Die Ziffer 13 zum Beispiel ist eine solche Zahl: Jeder mied sie, und die Würfelspieler verabscheuten sie, weil sie eine diabolische Summe darstellte, die mit zwei Würfeln niemals, nicht ums Verrecken, erwürfelt werden kann. Ähnliches galt auch für die 22: Jeder, der Siebzehnundvier spielte und die mit ihr verbundenen katastrophalen Folgen kannte, wollte nichts mit ihr zu tun haben.
    Und manche Zahlen standen mit bestimmten uralten Heiligen Schriften und Legenden in Verbindung. So die Zahl 5, die angeblich Feigheit, Furchtsamkeit und ganz allgemein Charakterschwäche bedeutete, weil die Anzahl der Zehen, die der Gott Trowmynedh an jedem Fuß hatte, fünf war, als er sich vor jener Entscheidungsschlacht drückte, die zu Beginn des Horrorzäns bei Memmingen-Veiglingen geschlagen wurde. Es mag vielleicht nicht uninteressant sein, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die Fünf noch lange – auch wenn kein Axolotianer denn Sinn dieser Geschichte deuten konnte – als Symbolzahl unheilbarer Hasenherzigkeit galt.
    Quintzi hatte das große Pech, daß es heute zu einer gefährlichen Multiplikation zweier fluchbeladener numerischer Elemente – Datum und Lebensjahr – kam. Wie jedermann wußte, war die Zahl 65 der illegitime Sproß einer Verbindung von 13 und 5 … Und das ließ nichts Gutes ahnen. Im Gegenteil: Alles deutete darauf hin, daß heute Schlimmes bevorstand. Eigentlich hätte er nach Hause rennen und sich die nächsten drei Wochen unter der Bettdecke verkriechen müssen. Oder die nächsten drei Monate. Oder Jahre …
    Und das hätte er auch getan, hätte er nicht zu seinem Erstaunen feststellen müssen, daß er vor dem Tor des riesigen Gemeindetempels stand und die vergoldete Klinke in der Hand hielt. Blindlings war er bis ans Ende der Brückenechsenstraße gespurtet und unbeschadet angekommen. Irgendwie …
    Verwundert schüttelte er den Kopf, brummelte noch irgend etwas des Inhalts, daß man den Mund- und Rachenraum geschenkter Gäule keiner näheren Prüfung unterziehen solle, verschwand hinter der Tür und hatte sich gleich darauf im verdunkelten Festsaal einen Sitzplatz ergattert.
    Die mysteriöse schwarze Wolke ballte sich immer dichter zusammen und trieb auf das östliche Einzugsgebiet von Axolotl zu, dorthin, wo der weitaus größte Teil des Obstbaus und der Obsteinlagerung konzentriert war.
    Quintzi konnte es kaum fassen: Er war angekommen, er hatte es geschafft. Nach dem ganzen Ärger heute morgen nahm er jetzt tatsächlich an der Preisverleihung der Auguralakademie teil. Mit leicht hängender Kinnlade blickte er über die versammelte, festlich gekleidete (Toga und schwarze Krawatte) Menge hin, über die Stuhlreihen, die im weiten Rund um das Innere des gewaltigen Tempelbaus liefen. Eine komplizierte Spiegelanlage fing das Sonnenlicht ein, das durch die Öffnung in der Dachmitte flutete, lenkte es um und illuminierte bis auf wenige absolut unzugängliche Nischen jeden Winkel. Auf dem Hochaltar im Zentrum des Tempels stand, mit flirrenden Sonnenstrahlen von unten angeleuchtet, eine Sänfte, und in ihr lümmelte Tehzo Khonna, der Zeremonienmeister. Ohne seine Sänfte ging der Zeremonienmeister nirgendwo hin … nachdem er einmal in einem Losbriefchen, das leider den einen oder anderen Druckfehler aufwies, gelesen hatte, daß die Sohle der Sitz der Lebenskraft sei. Woraufhin er kundgetan hatte, daß er die ihm gegebene energetische Potenz nie wieder mit Füßen treten wolle, und in die nächstbeste Sänfte gehüpft war. Die Verringerung der Inanspruchnahme seiner Treterchen würde, so glaubte er, ganz sicher eine Verlängerung seiner Lebenszeit um ein paar Jährchen bewirken und ihm ermöglichen, eine noch größere Popularität als einziger Profishowmaster in Axolotl zu erreichen.
    Er trug eine etwas
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