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Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Sabina Naber
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wahrscheinlich nicht unerheblich sein würde. Sie entnahm dem Regal einen Roman, der an dieser Stelle eigentlich nichts zu suchen hatte. »Die Vielgeliebte« von Jörg Mauthe.

    Als Maria bei Hermann Dornhelm läutete, tauchte die Sonne die Häuser bereits in ein Rot, das Blutorangen vergleichbar war. Nach dem gestrigen verregneten Augusttag versprach es heute ein wunderschöner Spätsommertag zu werden. Sie bemerkte, dass sie das erste Mal den Sommer an sich registrierte. Ja, sie hatte wochenlang geschwitzt. Und ihre Haut hatte – unbeabsichtigt – einen bronzenen Ton angenommen. Doch das erste Mal in diesem Jahr drang ihr die Sinnlichkeit des Wortes Sommer ins Bewusstsein. Er war spurlos an ihr vorübergegangen. Kein Aufwallen der Gefühle. Kein Pulsieren des Körpers. Keine langen Nächte, nur weil man nicht eine Minute versäumen möchte. Und in diesem Moment stieg das erste Mal seit langer Zeit Ärger in Maria hoch. Daran war nur Karl schuld. Er hatte ihr die letzten vier Monate gestohlen. Hoffentlich war ihm dieses Flittchen inzwischen davongelaufen. Sie würde ihm die Niederlage gönnen, dem Mistkerl. Wie hatte er sie bezeichnet? Als … – der Linienbus holte sie aus den Gedanken. Sie klingelte nochmals. Müde und gedankenverloren kaute Phillip neben ihr an einem Stück Brot. Das berührte Maria beinahe unangenehm, denn er hatte die gleiche Angewohnheit wie sie selbst. Er brach Stückchen vom weichen Teil ab und formte sie zu Kügelchen, die er dann genussvoll im Mund kreisen ließ. Maria selbst genierte sich immer für diese Ungezogenheit. Und normalerweise sah diese Art, ein Brot zu essen, auch ungustiös aus. Doch Phillip hatte wunderschöne Hände, mit denen er das Brot förmlich liebkoste. Auch seine Zunge ging mit den Kügelchen zärtlich um. Das passte gar nicht zu ihm. Wusste er eigentlich, wie sinnlich diese Prozedur wirkte? Maria erschrak. Das war der erste positive Gedanke bezüglich ihres neuen Kompagnons gewesen. Und noch dazu ein erotischer. Eindeutig gab es dafür nur eine Erklärung: Sie war übermüdet. Und – sie hatte schon zu lange keinen Mann mehr gehabt. Gerry hatte Recht, sie musste wieder unter Menschen. Energisch klingelte sie nochmals. Wieder keine Reaktion. Maria begann, auf ihrem Handy die Nummer von Dornhelm zu wählen. Da meldete sich endlich die verschlafene Stimme von Hermann Dornhelm in der Gegensprechanlage. Bei der Erwähnung der Mordkommission hörte sie ihn förmlich nach Atem ringen.

    Das Mietshaus, in dem Dornhelm wohnte, war eines der gehobenen Klasse. Der Stuck und das schmiedeeiserne Stiegengeländer waren frisch restauriert. Es roch förmlich nach Geld. Maria drückte den Liftknopf. Es war eines dieser alten Geräte, die mit zwei Türen verschlossen werden und einen an Ausstellungsstücke erinnern. In der Kabine stand eine mit Samt gepolsterte Bank. An beiden Schmalseiten waren Spiegel, wunderschön geschliffen. Flüchtig musterte Maria ihr müdes Gesicht. Sie fuhr die Tränensäcke nach und spürte erst durch die Berührung, dass die Augen schmerzten. Aus dem Haarknoten hatten sich Strähnen gelöst. Nachlässig stopfte Maria sie wieder in den Knoten. Erst dann bemerkte sie, dass Phillip sie beobachtete. Sie fühlte sich ertappt, ohne zu wissen, wobei. Sein Blick war anders als sonst. Mit einem Ruck blieb der Aufzug stehen. Angespannt stand Dornhelm in der Tür, nachlässig mit Jeans und einem T-Shirt bekleidet.
    »Was ist mit Babe? Hatte sie einen Unfall?«
    »Dann hätte das Krankenhaus Sie benachrichtigt. Wir sind von der Mordkommission.«
    Brutal zückte Phillip seine Marke. Das war wieder typisch Mann. Sensibel wie ein Bulldozer. Maria schüttelte dem erstarrten Dornhelm die Hand.
    »Kouba. Das ist mein Kollege Roth. Es tut mir Leid, Herr Dornhelm. Dürfen wir hereinkommen? Diese Sache sollte man nicht auf dem Flur besprechen.«
    »Heißt das, Babe ist … tot?«
    Langsam schien Dornhelm aus der ersten Schockwelle aufzutauchen. Weit gefehlt, wie sich gleich herausstellen sollte. Maria setzte ihren Mitleidsblick auf.
    »Leider ja. – Herr Dornhelm, können wir jetzt in Ihre Wohnung …?«
    Ein markerschütternder Schrei. Maria traf beinahe der Schlag. Dornhelm stand einfach nur da, mit hängenden Armen, gespreizten Händen und zurückgeworfenem Kopf. Die Schreie schienen aus seinem Bauch, seinem Herzen und seiner Seele zu kommen. Beinahe unnatürlich. Wie aus einer anderen Welt. Filmreif. Aber genau das passte nicht zu einem Philosophieprofessor.
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