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Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Sabina Naber
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Phillip suchte panisch Marias Blick. Sie waren beide sprachlos. Normalerweise reagieren die Menschen relativ ruhig, so etwa die erste halbe Stunde, weil sie das Geschehene nicht realisieren. Dann irgendwann kommen die Tränen. Doch meistens ist es ein Schluchzen, verbunden mit der immer wiederkehrenden Frage ›Warum?‹. Oder die Tränen rinnen still die Wangen hinunter, ohne dass es der Betroffene merkt. Oder – und das war oft bei Menschen in Marias Alter der Fall, so Mitte Dreißig – es kamen überhaupt keine Tränen. Das waren meist diejenigen, die gelernt hatten, ihre Gefühle zu unterdrücken, weil sie sonst mit der verwirrenden Welt ihres Ichs nicht zu Rande kamen. Die weinten dann vielleicht irgendwann einmal im stillen Kämmerchen, wo niemand ihre Schwäche mitbekam, oder bei einem Selbsterfahrungsseminar. Maria war schon oft Zeugin so lange aufgestauter Emotionen gewesen. Die hatten dann auch die Stärke wie der Ausbruch von Dornhelm. Doch direkt bei der Mitteilung des Schrecklichen hatte sie so einen Zusammenbruch noch nicht erlebt.
    Phillip stand ratlos neben Dornhelm. Klar, dieser Macho konnte mit der Situation noch weniger umgehen als sie selbst. Sie musste etwas unternehmen. Dornhelm fiel auf die Knie. Ein kraftloser Sack Mensch. Noch immer war keine Träne zu sehen, und von heilsamem Schluchzen keine Spur. Er schrie. Nichts weiter. Und doch war das Schreien förmlich ein Ausbund an Schmerz. Maria sprach Dornhelm vorsichtig an.
    »Herr Dornhelm, ich verstehe Ihren Schmerz. Aber lassen Sie uns doch in Ihre Wohnung gehen.«
    Keine Reaktion. Maria legte ihre Hand auf seine Schulter. Der Körper wirkte leblos. Das einzig Lebendige an Dornhelm war der Schrei. Maria schaute Phillip kurz an. Er verstand sie. Dornhelm musste wie eine Leiche behandelt werden. Sie stellten sich in Position, um ihn hochzuhieven und in die Wohnung zu schleppen. Der Körper war schwerer, als sie gedacht hatten. Rasselnd und scheppernd ging eine Tür auf. Eine Nachbarin kam eilig die Treppen herunter.
    »Was machen Sie da? Lassen S’ den Mann in Ruhe. Ich hol die Polizei!«
    »He, wir sind von der Polizei. Mischen Sie sich nicht ein!«
    »Das kann jeder sagen. Los, verschwinden Sie. Wie sind Sie überhaupt reingekommen?«
    Maria zückte ihre Polizeimarke.
    »Entschuldigen Sie die Störung. Aber wir mussten Herrn Dornhelm eine traurige Mitteilung machen, die er anscheinend nicht ganz verkraftet hat. Gehen Sie bitte zurück in Ihre Wohnung. Wir kümmern uns schon um ihn.«
    »Herr Dornhelm, was ist denn? Stehen S’ doch auf, Sie erkälten sich ja! Was ist denn los?«
    »Wir mussten ihm mitteilen, dass seine Verlobte tot ist.«
    »Hat sie’s erwischt. Na, war ja kein Wunder. Bei dem Lebenswandel. Herr Dornhelm, stehn S’ doch auf. Da verkühln Sie sich ja nur. Herr Dornhelm, hern S’ mi? Ist ja alles net so schlimm.«
    Phillip hatte es inzwischen geschafft, Dornhelm mit einem gekonnten Griff hochzuheben, und schleppte ihn in die Wohnung. Maria hinderte die Nachbarin daran, den beiden zu folgen.
    »Wir kümmern uns schon um ihn. Kennen Sie den Herrn Dornhelm näher?«
    »Na, ich hab manchmal für ihn eingekauft, wenn er auf der Uni so viel zu tun gehabt hat. Ein lieber Mensch. Die Stein war eh nicht die Richtige für ihn. Der hätte eine brave, liebe Frau gebraucht.«
    »So eine wie Sie?«
    »Na, was denken S’ denn? Der Herr Dornhelm und ich waren nur gute Nachbarn.«
    »Aber gfalln hat er Ihnen schon?«
    Maria fiel unwillkürlich in den Dialekt der Frau. Das schien das Eis zu brechen. Die Nachbarin schaute Maria in die Augen und überlegte, ob sie Maria als Frau und somit Verbündete oder als Polizistin einordnen sollte.
    »Na, Sie haben ihn ja gsehn. A fescher Mann. Und so gscheit. Und außerdem a ganz a Lieber. Hat sich oft bei mir mit Blumen bedankt.«
    »Und warum war die Stein nichts für ihn?«
    »Na, lesen Sie keine Zeitung? Die war a Flitscherl. Die hat die Liebhaber gwechselt wie die Unterhosen. So ane ist doch gar net für wahre, tiefe Gefühle fähig. I sag Ihna, die hat ihn nur ausgnutzt.«
    »Wieso kumen S’ denn auf das?«
    »Na, die hat an braucht fürs Renommee, jetzt, wo’s aufgstiegn is in die Oberliga. Sie wissen’s ja vielleicht, die hat da irgendwas gwunna. In die Seitenblicke hat mas die ganze Zeit gsegn. Da braucht man natürlich an Mann zum Herzeign.«
    Maria krampfte sich ein. Vorurteile. Die ganze Zeit war sie mit diesen jämmerlichen Vorurteilen konfrontiert. Die Stein war ihrer Meinung nach
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