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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada
Autoren: Brigitte Riebe
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Dach lebte, war anmutig, die beste Köchin Granadas und keineswegs zu alt, um die Begierde eines jungen Mannes zu wecken. Außerdem befolgte Djamila gewissenhaft die Gebote Allahs, auch wenn Lucia sie erst neulich zu ihrem Vater hatte sagen hören, dass es derselbe Gott sei, zu dem Christen und Moslems beteten, auch wenn er verschiedene Namen habe.
    »Wie willst du damit deine Arbeit verrichten?«, bohrte sie weiter. »Ist dir nicht klar, dass die Wunde täglich neu verbunden werden muss, wenn sie schnell heilen soll?«
    »Das lass meine Sorge sein! Gib mir lieber eine saubere Djellaba*«, verlangte er. »Ich weiß, dass Antonio einen ganzen Vorrat davon hat und gerne unsere Kleidung trägt, sobald er mit dir allein ist.«
    »Ich kann dir doch nicht …«
    »Doch, du kannst! Und mach schnell, damit ich endlich hinauf zur Alhambra kann. Unsere Schicht hat bereits angefangen. Ich muss mir ohnehin noch eine Ausrede einfallen lassen. Emilio, unser Vorarbeiter, der nichts kann außer Schnüffeln, Meckern und Befehlen, wartet doch nur auf den passenden Anlass, um mich rauszuwerfen.«
    Lucia hörte, wie Djamila leichtfüßig den Raum verließ. Sollte sie die Gelegenheit nutzen, um sich Rashid zu zeigen?
    Sie entschied sich dagegen.
    Er hatte so ernst geklungen, so erwachsen – und so unendlich fremd. Diese verdammten Christenhunde … Dazu gehörten auch ihr Vater und sie, auch wenn sie hundertmal ein tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl mit den muslimischen Nachbarn von gegenüber verband!
    Das Klimpern der Silberreifen zeigte Djamilas Rückkehr an.
    »Hier«, sagte sie leise. »Bring mir seine Djellaba unbedingt bis morgen wieder, sonst wirst du mich kennenlernen. Und jetzt sieh zu, dass du verschwindest. Antonio kann jeden Moment zum Essen kommen!«
    Raschid musste so leise hinausgeschlichen sein, dass Lucia nicht einmal das vertraute Knarzen der Haustür gehört hatte. Wie ein Dieb auf leisen Sohlen, dachte sie unwillkürlich. Einer, der sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte. Gehörte das etwa auch zu seinen neuen Fähigkeiten, von denen sie nichts wusste und die ihn immer nur noch weiter von ihr entfernten?
    In Gedanken noch bei Rashid, schreckte sie zusammen, als plötzlich Djamila vor ihr stand.
    »Was machst du hier?«, sagte sie barsch auf Arabisch. Ihr Blick flog zum Korb, in dem sich nur noch ein paar kümmerliche Essensreste befanden, dann musterte sie Lucias zerknittertes Kleid, das einige Grasflecke abbekommen hatte. »Du siehst ja aus wie eine Streunerin! Und wohin wart ihr eigentlich den ganzen Vormittag verschwunden?«
    »Nuri und ich haben doch nur Tante Pilar besucht«, erwiderte Lucia ebenso fließend.
    »Das kannst du jemand anderem erzählen! Denn zufällig war deine Tante Pilar vorhin hier. Also? Wer so frech lügt wie du, sollte wenigstens eine halbwegs stimmige Geschichte parat haben.«
    Die Maurin, der sie längst über den Kopf gewachsen war, musste schräg zu ihr herauflinsen, um ihr in die Augen zu schauen, was Lucia plötzlich ein Gefühl der Überlegenheit gab. Eigentlich mochte sie Djamila, und es machte ihr auch nichts aus, dass ihr Vater viele Nächte mit ihr verbrachte, obwohl die beiden es zu verheimlichen versuchten und am Morgen aus verschiedenen Zimmern kamen, als wären sie bloß Herr und Dienerin. Doch was sie sich nun anmaßte, war eindeutig zu viel. Wenn Djamila sich das Recht herausnahm, Geheimnisse zu haben, konnte sie das auch.
    »Halt dich raus aus meinen Angelegenheiten«, sagte Lucia schroff. »Ich bin kein Kind mehr und weiß schon, was ich tue …«
    Lautes Schreien und herzzerreißendes Weinen ließ beide zusammenfahren.
    »Es kommt von der Gasse«, rief Lucia. »Schnell – es muss etwas Schreckliches geschehen sein.«
    Sie lief nach draußen, Djamila ihr hinterher.
    Ein seltsamer Zug kam ihnen schwankend entgegen, eine Gruppe heulender, aufgelöster Frauen, die eine provisorische Bahre schleppten. Auf ihr lag der Leichnam eines Mannes, halb verkohlt, eine große Wunde auf der Brust, das Gesicht eine vom Feuer grauenvoll verwüstete Fratze.
    Unwillkürlich zog Djamila sich den Schleier vor das Gesicht. Auch Lucia wünschte sich plötzlich, sie steckte noch in Nuris Kleidern und könnte es ihr nachtun, denn der Geruch nach verbranntem Fleisch war kaum zu ertragen.
    »Mein guter, guter Malik!«, schrie Fatima. »Der beste Schächter von ganz Granada – ihr alle habt ihn gekannt. Keinem Menschen hätte er jemals im Leben etwas antun können, das wisst ihr. Warum nur
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