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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman
Autoren: Fred Vargas
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Sie wissen sicher, dass wir nicht berechtigt sind, einen erwachsenen Mann zu suchen, nur weil er für ein paar Tage verschwindet.«
    »Er kommt nicht zurück, Kommissar. Das Mofa hat nichts zu bedeuten. Es ist weg, damit ihn keiner sucht.«
    »Sagen Sie das, weil man ihn bedroht hat?«
    »Ja.«
    »Hat er einen Feind?«
    »Heilige Muttergottes, den schrecklichsten aller Feinde, Kommissar.«
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    »O Gott, den darf man nicht aussprechen.«
    Adamsberg seufzte bekümmert, mehr ihret- als seinetwegen.
    »Und Sie meinen, dieser Michel Herbier ist geflohen?«
    »Nein, er weiß es ja nicht. Er ist bestimmt schon tot. Er war
ergriffen
worden, verstehen Sie.«
    Adamsberg stand auf und lief einige Augenblicke von einer Wand zur anderen, die Hände in den Taschen vergraben.
    »Madame Vendermot, ich will Ihnen ja gern zuhören, ich will sogar gern die Gendarmerie in Ordebec benachrichtigen. Aber ich kann nichts machen, solange ich nichts begreife. Entschuldigen Sie mich mal eine Sekunde.«
    Er verließ sein Büro und ging zu Commandant Danglard hinüber, der noch immer sehr verdrossen über seinen Akten saß. Neben einigen Milliarden anderer Informationen hatte Danglard in seinem Gehirn fast alle Namen von Chefs und Unter-Chefs der Gendarmerien und Kommissariate Frankreichs gespeichert.
    »Der Capitaine der Gendarmerie von Ordebec, sagt Ihnen der was, Danglard?«
    »Ordebec im Calvados?«
    »Ja.«
    »Das ist Émeri, Louis Nicolas Émeri. Louis Nicolas inAnlehnung an seinen Vorfahren Louis Nicolas Davout, Marschall des Kaiserreichs, Befehlshaber des 3. Corps von Napoleons Grande Armée. Schlachten bei Ulm, Austerlitz, Preußisch Eylau, Wagram, Herzog von Auerstedt und Fürst von Eckmühl, nach dem Namen einer seiner berühmten Schlachten.«
    »Danglard, es ist der Mensch von heute, der mich interessiert, der Bulle von Ordebec.«
    »Ja, genau. Seine Herkunft zählt nämlich viel, er lässt niemanden darüber im Unklaren. Darum kann er mitunter etwas hochfahrend, stolz, martialisch auftreten. Bis auf dieses napoleonische Erbe aber ist er ein recht sympathischer Mann, sehr besonnen als Bulle, vorsichtig, vielleicht allzu vorsichtig. Um die vierzig. Hat sich in seinen früheren Dienststellen, in der Banlieue von Lyon, glaube ich, nicht sonderlich hervorgetan. Er will seine Ruhe haben in Ordebec. Es ist friedlich dort.«
    Adamsberg kam in sein Büro zurück, wo die Frau in ihrer eingehenden Betrachtung der Wände fortgefahren war.
    »Es ist nicht leicht, Kommissar, das wird mir jetzt klar. Weil es normalerweise nämlich verboten ist, darüber zu reden, verstehen Sie. Das kann schreckliches Ungemach heraufbeschwören. Sagen Sie, Ihre Wandregale, sind die wenigstens richtig angeschraubt? Weil, Sie haben schwere Schriftstücke nach oben gestellt und leichte nach unten. Das könnte durchaus mal auf die Leute runterstürzen. Man muss die schweren Sachen immer nach unten stellen.«
    Angst vor den Bullen, Angst vor umfallenden Bücherwänden.
    »Dieser Michel Herbier, warum verabscheuen Sie ihn?«
    »Alle Welt verabscheut ihn, Kommissar. Er ist ein schrecklich brutaler Kerl, er war schon immer so. Niemand redet mit ihm.«
    »Das könnte erklären, dass er Ordebec verlassen hat.«
    Adamsberg nahm sich noch einmal die Zeitung.
    »Er lebt allein«, sagte er, »er ist in Rente, vierundsechzig Jahre alt. Warum sollte er nicht woanders ein neues Leben beginnen? Hat er irgendwo Angehörige?«
    »Er war mal verheiratet, früher. Er ist Witwer.«
    »Seit wie vielen Jahren?«
    »Oh. Über fünfzehn Jahre.«
    »Begegnen Sie ihm von Zeit zu Zeit?«
    »Ich sehe ihn nie. Da er ein bisschen außerhalb von Ordebec wohnt, ist es leicht, ihm aus dem Weg zu gehen. Und das ist allen recht so.«
    »Aber dennoch haben sich Nachbarn Sorgen um ihn gemacht.«
    »Ja, die Hébrards. Das sind rechtschaffene Leute. Sie haben ihn gegen sechs Uhr abends fortfahren sehen. Sie wohnen jenseits der kleinen Landstraße, verstehen Sie. Während er, er lebt fünfzig Meter weiter, schon fast im Bigard-Wäldchen drin, bei der alten Mülldeponie. Es ist feucht wie sonst was da.«
    »Wieso haben die sich Sorgen gemacht, wenn sie ihn mit dem Mofa haben wegfahren sehen?«
    »Weil er ihnen, wenn er eine Weile weg ist, für gewöhnlich den Briefkastenschlüssel dalässt. Aber diesmal nicht. Und sie haben ihn nicht zurückkommen hören. Und es war eine Menge Post da, sie ragte schon aus dem Kasten heraus. Also heißt das, Herbier ist nur für kurze Zeit
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