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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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schmale Schlucht. Wenn man die nicht kennt, kann man leicht stürzen, obwohl … einem erfahrenen Musher passiert so etwas bestimmt nicht.«
    »Vielleicht ein Greenhorn … ein Anfänger!«
    Clarissa glaubte eher, dass die Wölfe ihr Opfer in den Abgrund gedrängt hatten, sagte aber nichts und kletterte rasch weiter. Oben lief sie in den Wald hinein und blieb am Rand einer keilförmigen Schlucht stehen, die sich bis auf die andere Seite des Waldes zog und dort steil zu einem Nebenfluss des Yukon Rivers abfiel. Alex hatte dort für kurze Zeit seine Fallen ausgelegt, ohne übermäßigen Erfolg zu haben. Biber gab es kaum noch dort.
    Unter ihr stöhnte jemand so verzweifelt, dass sie zusammenzuckte. Ein Mann in höchster Not, der keine Kraft mehr für einen Schrei besaß, sich mit allem, was er hatte, an sein Leben klammerte und dennoch wusste, dass es keine Rettung mehr für ihn gab. »Hilfe! Hilfe!«, es war nur noch ein Flüstern.
    »Nicht aufgeben!«, rief Clarissa. »Wo sind Sie?«
    »Hier drüben«, meldete sich die Stimme, jetzt wieder lauter und voller Hoffnung. »Bei dem spitzen Felsen! Helfen Sie mir! Kommen Sie … schnell!«
    Inzwischen war auch Dolly bei ihr, und sie rannten beide der Stimme entgegen. Neben dem spitzen Felsen, der wie ein Keil aus dem gefrorenen Boden ragten, knieten sie nieder. Direkt unter ihnen, nur eine Armlänge von ihnen entfernt, klammerte sich ein Mann an die zerklüftete Felswand, unfähig, den rettenden Felsen mit seinen Händen zu erreichen, weil er mit seinen Stiefeln auf einem schmalen Vorsprung stand, der so vereist war, dass er bei der leisesten Bewegung abgerutscht und in den Abgrund gestürzt wäre.
    Sie konnten den Mann nur schemenhaft sehen, doch als der Mond hinter einer Wolke hervorkroch und ein blasser Schimmer auf sein Gesicht fiel, erkannten sie ihn sofort: Frank Whittler! Er war den Soldaten entkommen, aber Bones hatte ihn in die Schlucht gejagt, und er hatte es nur seinem unverschämten Glück zu verdanken, dass er auf dem Felsvorsprung gelandet war und es geschafft hatte, sich an den nackten Fels zu klammern. Sein Schlitten und die Hunde sowie die Beute aus dem Bankraub lagen auf dem Grund der Schlucht.
    Sie brauchten sich nur umzudrehen und davonzulaufen, und Whittler würde irgendwann den Halt verlieren und in den verdienten Tod stürzen.
    »Frank Whittler!«, sagte Clarissa. Ihre Stimme klang hart und unnachgiebig. »Warum sollte ausgerechnet ich Ihnen helfen? Sie haben unschuldige Menschen umgebracht und vergewaltigt, und Gott weiß, wen Sie noch alles auf dem Gewissen haben. Warum sollte ausgerechnet ich Ihnen helfen?«
    »Sind … sind Sie das, Clarissa?« Es klang ungläubig und verzweifelt zugleich. »Lassen Sie mich nicht sterben! Helfen Sie mir … bitte!« Er weinte und schluchzte jetzt wie ein kleines Kind. »Sie sind … sind ein Christenmensch. Sie dürfen mich nicht sterben lassen, das … das wäre eine Sünde! Helfen Sie mir doch!« Seine Stimme klang immer panischer. »Ich weiß, was für ein schlechter Mensch ich bin, und ich … ich bin bereit, dafür zu büßen, aber bitte … lassen Sie mich nicht auf diese Weise sterben! Ziehen Sie mich hoch!«
    »Sie sind ein Monster … ein widerliches Monster!«, schimpfte Dolly.
    »Ich weiß … ich weiß … aber bitte … bitte helfen Sie mir! Mein rechtes Bein … Ich glaube, es ist gebrochen, und ich kann jeden Moment abstürzen!«
    Clarissa wusste, dass sie Whittler nicht seinem Schicksal überlassen würde, und wenn er noch so gemein und gnadenlos war, und auch Dolly, die normalerweise nicht gezögert hätte, ihm eine Kugel in die Brust zu jagen, war zu so etwas nicht fähig. Es wäre eiskalter Mord gewesen, auch wenn sie niemand dafür belangt hätte, und das Bild des stürzenden Mannes hätte sie bis in alle Ewigkeit verfolgt. Sollte sich doch der Staat um den miesen Verbrecher kümmern!
    Clarissa schlang ihren linken Arm um den spitzen Felsen und gab Dolly zu verstehen, sie an der Hüfte festzuhalten. »Geben Sie mir Ihre linke Hand!«, rief sie zu dem jammernden Whittler hinunter. »Aber ganz langsam und vorsichtig! Sie wissen ja, was passiert, wenn Sie mit den Füßen abrutschen! So ist es gut … ganz langsam! Und wenn Sie meine Hand haben, greifen Sie nach dem Felsen unter mir! Haben Sie keine Angst, wir ziehen Sie hoch. Jetzt!«
    Whittler bekam ihre Hand zu fassen. »Nicht loslassen … Bitte nicht loslassen!«, flehte er laut.
    Clarissa hielt seine linke Hand fest umklammert und stemmte
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