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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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könntest. Dass du Frank Whittler auf deine Spur gelockt hast, um dich von ihm erschießen zu lassen. Ich weiß von deiner Krankheit, Alex, und ich weiß, wie anstrengend es sein würde, dich zu pflegen. Aber du würdest mir doch niemals zur Last fallen! Niemals, Alex! Und wenn ich Tag und Nacht auf den Beinen sein müsste, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen und dich zu pflegen, selbst wenn ich die Fallen auslegen und auf die Jagd gehen müsste, würde mir das nie zu viel.« Sie ließ ihre Worte im Wind verklingen und sprach weiter: »Es geht mir nicht gut, Alex. Als mir der Medizinmann von seinem Traum erzählte, dass er einen einsamen Mann auf einem Hundeschlitten in der Wildnis gesehen habe, hatte ich wieder Hoffnung, und als mir Bones … ich weiß, du glaubst nicht an den Geisterwolf, aber er war tatsächlich bei mir … als er dem Polarstern folgte, dachte ich, du wärst vielleicht in Nome gewesen. Ein Häuptling der Yupik gab mir neue Hoffnung, auch er hatte einen einsamen Mann in seinem Traum gesehen, doch dann trafen wir den Rentierzüchter, und der erzählte mir von einem Indianer, dem du den Schlitten und dein Gewehr vermacht hattest. Du würdest niemals dein Gewehr hergeben, Alex, für kein Geld der Welt. Es sei denn … es sei denn, du wärst wirklich auf das vereiste Meer gelaufen und wärst dort … Ich wollte es nicht glauben, Alex. Und dann hatte ich selbst diesen Traum, sah dich ohne Schlitten und Gewehr über einen einsamen Trail wandern und schöpfte neue Hoffnung. Könnte es sein, dass du noch gar nicht im Himmel bist? Dass mir Gott oder der Große Geist oder wer auch immer eine Nachricht durch das Nordlicht schicken will? Antworte mir, Alex! Sag mir, wenn ich allein in die Zukunft gehen muss. Ich bin stark und weiß Dolly an meiner Seite. Mit ihrer Hilfe werde ich es schaffen.«
    Wieder brannte der Himmel lichterloh, aber es kam kein Zeichen. Die Stimmen, die sie gerufen hatte, blieben stumm, und nicht einmal der Wind änderte seine Melodie. Weit unter ihr lag das Land dunkel und schweigend.
    »Ich liebe dich, Alex! Ich liebe dich seit dem Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe! Und ich werde dich selbst dann noch lieben, wenn du gegangen bist und ich allein in die Zukunft sehen muss. Der Gedanke, dich zu verlieren, war mir immer unerträglich, und ich kann mir ein Leben ohne dich auch jetzt nicht vorstellen, aber ich werde es versuchen, das verspreche ich dir.« Sie spürte Tränen in ihren Augen. »Oder gibt es doch noch eine Chance? Warum antwortet mir denn niemand? Bones … Bist du noch in der Nähe?«
    Diesmal antwortete ihr ein leises Heulen und lockte sie ein paar Schritte nach vorn. Als geisterhaftes Echo hallte es über die Wälder und den Fluss, gefolgt von einem weiteren Heulen, diesmal näher und noch unheimlicher.
    Das Nordlicht verkümmerte zu einem grünen Streifen, der am fernen Horizont über den Himmel zog, und es wurde dunkel. Nur noch der volle Mond und die Sterne, die zwischen den Wolken zu sehen waren, verbreiteten ihr trübes Licht. Sie sank enttäuscht auf die Knie und wollte sich gerade damit abfinden, dass sie keine weitere Antwort bekam, als plötzlich mehrere Augenpaare zu ihr emporblickten. Wie aus dem Nichts waren sie aufgetaucht, die gelben Augen mehrerer Wölfe, als hätten sie nur darauf gewartet, dass man sie rief. Ein ganzes Rudel, stellte sie erstaunt fest, wie viele Wölfe es waren, konnte sie nicht sagen, aber zehn waren es bestimmt. Sie sah nur diese Augen, gelbe Punkte in der Dunkelheit, die sich kaum zu bewegen schienen.
    »Bones!«, flüsterte sie. »Bist du es wirklich, Bones?«
    Eines der Augenpaare bewegte sich, und Bones trat auf die Lichtung. Sie erkannte ihn inzwischen schon an seinen Bewegungen. Sein hagerer Körper bewegte sich nicht mehr so geschmeidig und elegant wie früher, aber er war wohl immer noch fähig, ein Rudel zu führen und sich gegen jüngere Konkurrenten zu behaupten.
    Auf der Lichtung blieb er stehen und blickte mit seinen erstaunlich sanften Augen zu ihr empor. Sein helles Fell glitzerte beinahe wie Silber im hellen Mondlicht, und sie glaubte sogar, eine neue Narbe auf seinem Rücken zu erkennen, die Spuren eines Kampfes gegen einen jüngeren Rudelführer. Mit einem verhaltenen Jaulen machte er sich bemerkbar.
    »Bones!«, flehte sie ihn an. »Du musst mir helfen, Bones! Ich glaube nicht, dass Alex tot ist! Ich habe ihn in einem Traum gesehen. Du musst mir helfen, ihn zu suchen! Er muss irgendwo in der Wildnis
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