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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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sich mit beiden Beinen gegen den spitzen Felsen. »Nimm seine rechte Hand!«, rief sie Dolly zu. Ihre Freundin ließ sie los und griff nach dem rechten Handgelenk des Verbrechers. »Und jetzt zieh! Fest … noch fester … gleich haben wir ihn!«
    Mit einem Ruck zogen sie den stöhnenden Whittler über den Rand der Schlucht in den Schnee. Dort ließen sie ihn los und sanken selbst zu Boden. Schwer atmend versuchten sie wieder zu Kräften zu kommen. Sie hatten ihre letzten Reserven mobilisiert, um den schweren Verbrecher hochzuziehen.
    Doch als sie sich einigermaßen von ihrer Anstrengung erholt hatten, stand Whittler mit einem Revolver in der Hand über ihnen. Das gebrochene Bein war eine Lüge gewesen. »Vielen Dank«, erklärte er höhnisch und immer noch etwas außer Puste. »Wäre auch zu schade gewesen, wenn man mich um das Vergnügen gebracht hätte, dir eine Kugel in den Pelz zu brennen.« In seinem Übermut war er wieder zur vertrauten Anrede übergegangen. »Meine Hände sind noch etwas zittrig, aber dich treffe ich auf jeden Fall. Und wenn es nicht gleich klappt, versuche ich es eben noch ein zweites und ein drittes Mal! Bye, bye, Clarissa … und grüß deinen Mann von mir!«

37
    »Lassen Sie die Waffe fallen, Whittler! Sofort!« Wie aus dem Nichts war US Deputy Marshal Chester Novak aufgetaucht und hielt seinen Revolver auf Frank Whittler gerichtet. »Sie haben keine Chance, Whittler! Runter mit der Waffe! Wenn Sie auch nur daran denken, den Abzug durchzudrücken, schieße ich, darauf können Sie sich verlassen!«
    Frank Whittler erkannte, dass er verloren hatte, und gehorchte. Sein Revolver fiel in den Schnee. Mit verkniffener Miene hielt er seine Hände auf den Rücken und ließ sich Handschellen vom Marshal anlegen. In seinen Augen standen Tränen der Wut und Verzweiflung. Er ertrug die bitterste Niederlage seines Lebens, ohne Clarissa oder Dolly anzublicken, schimpfte und jammerte nicht, stieß nicht mal einen Fluch aus. Nur an dem verzweifelten Ausdruck in seinen Augen und den zusammengepressten Lippen erkannte Clarissa, wie erniedrigend die Situtation für ihn sein musste.
    »Tut mir leid, dass ich nicht eher kommen konnte«, entschuldigte sich der Marshal. »Ich hätte es mir nie verziehen, wenn …« Er ließ den Satz in der Luft hängen. »Sorry, Ma’am. Als ich den Schrei hörte, dachte ich gleich an Whittler. Captain Brooks hatte mir telegrafiert und mich vor ihm gewarnt. Die Soldaten hatten ihn leider aus den Augen verloren. Sie wussten aber, dass er sich nach Osten abgesetzt hatte, und ich vermutete gleich, dass er sich in den White Mountains verstecken wollte. Ich hätte nicht gedacht, dass er schon vor dem Frühjahr zurückkommen würde. Er muss nervös geworden sein. Nun …« Er wischte sich über seinen Schnurrbart. »Zum Glück ist ja nichts passiert.«
    »Eine Sekunde später, und Whittler hätte uns erschossen!«, erwiderte Clarissa, immer noch unter dem Schock der erneuten Begegnung mit Whittler. »Sie hätten ihn damals weiter verfolgen sollen! Inzwischen hat er seine beiden Komplizen erschossen und ein junges Indianermädchen vergewaltigt.«
    »Ich tue, was ich kann.« Der Marshal wirkte gereizt. »Aber solange wir kaum Unterstützung von der Regierung bekommen und es hier im Norden zu wenige Deputies gibt, sind uns leider oft die Hände gebunden.« Er stieß den gefesselten Whittler zwischen die Bäume. »Tut mir ehrlich leid, Ma’am, aber verlassen Sie sich drauf, diesmal entkommt uns dieses Scheusal bestimmt nicht mehr, stimmt’s, Whittler?« Er stieß dem Verbrecher seinen Revolverlauf in den Rücken. »Diesmal landet er am Galgen, darauf können Sie sich verlassen.« Er drehte sich zu den Frauen um. »Sie sind doch nicht verletzt?«
    »Wir sind okay, Marshal.«
    »Dann bringe ich ihn jetzt nach Anchorage zurück.« Er stieß den Gefangenen erneut nach vorn. »Und freuen Sie sich nicht zu früh, Whittler. In Fairbanks heuere ich zwei oder drei Gehilfen an, falls Sie unterwegs auf dumme Gedanken kommen sollten.« Er tippte an seine Fellmütze. »Auf Wiedersehen, die Damen. Und nochmals sorry, ich hätte Ihnen das alles gern erspart.«
    Der Marshal verschwand mit Whittler, ohne sich noch einmal umzudrehen, und Clarissa atmete erst auf, als sie seine Anfeuerungsrufe hörte und er mit dem Schlitten davonfuhr. Endlich war der Spuk vorbei. Frank Whittler wanderte ins Gefängnis. Nicht einmal Dolly konnte nachvollziehen, was für eine Erleichterung es war, den Mann, der jahrelang
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