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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe
Autoren: Christopher Ross
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mit ihm gewinnen, ein legendäres Hundeschlittenrennen mit hohen Geldpreisen.
    Clarissa hatte seinen Wunsch als Scherz aufgefasst und ihm die Hälfte des Preisgeldes versprochen, inzwischen aber längst erkannt, dass Emmett tatsächlich sehr begabt war und sich außergewöhnlich intelligent benahm. Alex und sie hatten ihn bereits mehrmals als Leithund eingesetzt und waren äußerst zufrieden mit ihm. Smoky wurde langsam zu alt für die harte Arbeit.
    Ein Wolf antwortete den Huskys. Sein Heulen klang so schaurig und nahe, dass Clarissa erschrak und einen Augenblick innehielt. Wölfe wagten sich nur selten so nah an die menschlichen Siedlungen heran. Nur wenn sie in ihrem Revier keine Beute mehr fanden, wurden sie mutiger. Das Wolfsrudel, das nördlich des Flusses jagte, hatte selbst Alex nur selten zu Gesicht bekommen.
    Als das Heulen verstummte, trank Clarissa erleichtert von ihrem Tee. Der Zucker beruhigte sie, aber noch viel lieber hätte sie von der Schokolade gekostet, die Alex ihr versprochen hatte. Wo blieb er nur? War ihm etwas passiert? War was mit den Hunden? Hatte sich einer der Huskys verletzt? Vor einem halben Jahr, als Chilco sich die Pfoten am rauen Flusseis aufgeschnitten hatte, war er schon mal so spät gekommen und hatte sich tausend Mal entschuldigt, weil er wusste, wie sehr sie sich um ihn sorgte. Ach was, sagte sie sich, du benimmst dich schon wie eine nervöse Städterin. Du weißt doch selbst, auf welche Hindernisse man in der Wildnis treffen kann. Er wird schon seine Gründe für seine späte Rückkehr haben.
    Selbst wenn er einen befreundeten Fallensteller getroffen hatte und mit ihm versumpft war – was machte das schon?
    Sie trank noch einen Schluck und stellte den Becher auf den Tisch. Obwohl das Feuer im Ofen kräftig brannte, legte sie zwei Holzscheite nach und erfreute sich an der Wärme und dem vertrauten Prasseln. Sie fühlte sich wohl in ihrem neuen Zuhause. Andere Frauen, vor allem die gesitteten Ladys aus Vancouver, wären beim Anblick der einfachen Blockhütte sicher erschrocken, doch für sie gab es nichts Schöneres, als inmitten der Wildnis einen geschützten Platz zu haben, an dem sie mit Alex allein sein konnte. Die Hütte war nicht besonders groß. Auf dem Bett lag eine bunte Patchworkdecke, die sie im letzten Winter angefertigt hatte, und ein wuchtiger Schrank, den Alex wie die meisten anderen Möbel selbst gezimmert hatte, trennte den Schlafraum vom Wohnraum, der gleichzeitig als Küche diente. Es gab einen Tisch mit vier Stühlen, einen Küchenschrank, in dem auch die Vorräte untergebracht waren, eine Kommode und einen großen Eisenherd, der mit dem Raddampfer über den Yukon River gekommen war. Sie hatten ein halbes Vermögen für das Monstrum bezahlt. In der Mitte des Raumes ragte ein alter Kanonenofen empor, daneben lag etwas Brennholz. In einigen Kisten vor der Rückwand waren Werkzeuge, Geschirre, Lederriemen und anderer Krimskrams untergebracht, in Eimern und Behältern lagerten Wasser und Hundefutter. Das Stroh in der Ecke war für Smoky reserviert, ihren Leithund, der als einziger Husky ins Haus durfte, aber meist draußen bei den anderen schlief.
    Sie holte ein altes Buffalo-Bill-Heft aus der Kommode und setzte sich an den Tisch. Im Schein der Öllampe versuchte sie zu lesen. Sie mochte die haarsträubenden Abenteuer des legendären Westmanns und freute sich jedes Mal, wenn er mit bloßen Händen auf einen Grizzly losging oder im Alleingang einen ganzen Indianerstamm besiegte. Natürlich hatte der echte Buffalo Bill diese Abenteuer nie erlebt, angeblich zog er mit einem Wildwestzirkus durch die Lande, aber Clarissa mochte seine Geschichten, weil sie darin in eine vollkommen andere Welt abtauchen konnte. Dass es ihr diesmal nicht gelang und sie das Heft schon nach wenigen Minuten missmutig zur Seite legte, lag an ihrer Unruhe. Obwohl Alex auch mal einige Tage wegblieb, wenn er seine Fallen abfuhr und kontrollierte oder mit dem Hundeschlitten nach neuen Trails suchte, war sie diesmal seltsam besorgt, als würde sich mit seinem Wegbleiben ein neuer dramatischer Einschnitt in ihrem gemeinsamen Leben ankündigen. Woher diese Ahnung kam, vermochte sie nicht zu sagen. »Du machst dich noch verrückt«, flüsterte sie.
    Dabei schien der Mann, der während der vergangenen Jahre versucht hatte, ihnen das Leben zur Hölle zu machen und es beinahe geschafft hätte, sie ins Gefängnis zu bringen, ganz andere Sorgen zu haben. Wie einige andere »hohe Tiere« der Canadian
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