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Die Nacht der lebenden Trekkies

Die Nacht der lebenden Trekkies

Titel: Die Nacht der lebenden Trekkies
Autoren: Kevin David Anderson
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verabredet. Sie und ihre Freunde waren über hundertfünfzig Kilometer gefahren, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Sie wollten gegen 18 : 00 Uhr hier sein.
    Jim zückte sein Handy und scrollte durch das Menü, bis er »Rayna« fand.
    Das Mobiltelefon seiner Schwester klingelte viermal, dann nahm sie das Gespräch an.
    »Rayna?«, sagte Jim.
    »… blödes Telefon …«
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Jim.
    Eine Weile hörte er nur Rauschen.
    »Es geht«, sagte Rayna. »Der Verkehr ist die reinste Pest.«
    »Ist was mit deinem Telefon?«, fragte Jim.
    »…fonverbindung wird schlechter, je näher wir Houston kommen …«
    Noch mehr Rauschen.
    »Ich weiß nicht, ob diese Convention die ganze Mühe wert ist«, sagte Jim. »Vielleicht solltet ihr lieber einen Umweg machen und ans Meer fahren.«
    Seine halb gerufene Botschaft kam an. Die Antwort war aber nur bruchstückhaft zu verstehen.
    »… freu mich wirklich … größte Star Trek -Convention im Süden …«
    Im Hintergrund hörte Jim eine Männerstimme. Sie verkündete, dass das Zimmer bereits bezahlt sei und man nichts zurückerstatten würde.
    »Na schön«, rief Jim. »Dann bis später! Aber seid bitte vorsichtig. Und meldet euch, wenn ihr in der Nähe seid, dann komme ich euch entgegen. Mit was für ’nem Wagen kommt ihr denn?«
    Jim glaubte Gelächter zu hören.
    »Wirst du schon sehen«, sagte Rayna. »Glauben würdest du’s mir ohnehin n…«
    Ihr letztes Wort wurde von einem Störgeräusch verschluckt, das wie ein Heulen klang.
    Jim schaute auf sein Telefon, fluchte leise, klappte es zu und schob es in die Hosentasche. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Gebrüll die Beachtung nahezu aller Menschen auf sich gezogen hatte, die an der Anmeldung standen.
    »Ärger mit dem Kommunikator?«, fragte ein untersetzter Mann, der als Ferengi verkleidet war.
    »Subraum-Interferenzen«, sagte Jim zu den etwa fünfzehn ihn angaffenden Trekkies. »In diesem Sektor sind sie immer besonders schlimm.«
    Ein Tellarit und ein Romulaner nickten wissend.
    Rayna ist zwanzig, dachte Jim. Sie ist ein erwachsener Mensch. Ich benehme mich ja schlimmer als ihr Vater.
    Er wusste, dass er nichts dagegen machen konnte, denn er füllte diese Rolle nun mal aus, seit ihr Vater bei einem Unfall in einer Ölraffinerie ums Leben gekommen war. Auch heute noch war das geistige Bild, das Jim von seiner Schwester hatte, die unauslöschliche Aufnahme einer Zehnjährigen mit Tränen in den Augen, die zu verstehen versuchte, dass Papa nie mehr nach Hause kam und sie fortan nur noch mit einer Mama und einem Bruder auskommen musste.
    Eigentlich hatte sie nicht mal das Glück gehabt. Ihre Mutter, schon vor dem Unfall eine starke Trinkerin, hatte sich danach entschlossen, den eingeschlagenen Weg zu Ende zu gehen. Sie war nicht gewalttätig oder laut gewesen. Sie war einfach … nichts mehr gewesen. Jeden Tag, wenn Jim vom Sport nach Hause kam, war Rayna an seiner Seite gewesen, denn nach der Schule hatte sie nichts anderes zu tun gehabt, als auf der Tribüne zu sitzen und ihre Hausaufgaben zu machen. Mama saß derweil auf dem Sofa, trank Wein und schaute sich Jerry Springers Randale-Show an.
    Sie war, als Jim in Afghanistan gewesen war, an einem Herzinfarkt gestorben. Auch dies, sagte sich Jim, ist wieder ein Beispiel dafür, dass ich nicht da war, als man mich wirklich gebraucht hätte. Sein Schwesterchen hatte die Urne ausgesucht, die Bestattung organisiert und sogar vor den wenigen Trauergästen eine Rede gehalten.
    Jim war zwei Monate später vom Militär zurückgekehrt. Seine gesamte Beziehung zu seiner Schwester hatte sich verändert. Während er das Leben eines verängstigten Kindes führte, das sich verlaufen hatte, schmiss Rayna den Laden. Sie war College-Frischling, wollte aber einen Abschluss als Psychologin machen. Sie führte ein Leben. Sie hatte Freunde – auch wenn einige ihrer Freunde SF-Spinner waren. Sie hatte eine Zukunft.
    Jim hatte es inzwischen zu einer bombigen Anstellung als Page gebracht. Sein einziges »Ziel« war, nie wieder eine Stellung zu erreichen, in der andere von ihm abhängig waren. Weil er wusste, dass er versagen würde. Weil er bei Rayna versagt hatte. Und in Afghanistan.
    »Entschuldigen Sie«, wurde seine Träumerei von einer Stimme unterbrochen. »Gehören Sie zum Hotel?«
    Jim vergaß seinen Bammel. Vor ihm stand ein gepflegter Mann in den mittleren Jahren. Sein Haar war schütter. Er trug eine makellos geschnittene Voyager -Sanitätsuniform und sah
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