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Die Nacht der Haendler

Die Nacht der Haendler

Titel: Die Nacht der Haendler
Autoren: Gert Heidenreich
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dem Passwort, ich gab FATALIST ein, die Festplatte WELT und das Dokument REALITÄT erschienen. Dschejdschej sah schweigend zu, wie sich die Pyramide entwickelte. »Wonach soll ich suchen? In den Bausteinen stecken Zehntausende von virtuellen Clips!« »Einige hat er zur Zeit in Betrieb«, sagte Dschejdschej, wahrscheinlich über eine seiner externen Platten. Ich vermute, er arbeitet für seine Tribunalshow mit einer Doppelung, die alles, was sich heute Abend neu ergibt, speichert, auf gewünschte Ereignisse hin durchsucht, Störungen ausfiltert und das Ergebnis dann an den Hauptspeicher weitergibt. Mich interessiert nur, ob es einen Baustein mit meinem Namen gibt. Es geht nämlich nicht um deinen Kopf, Heinrich, und nicht um Stieftaals. Es geht um meinen .« »Was soll dir geschehen, du bist aus Fleisch und Blut, du bist hergeflogen, du wirst wieder zurückfliegen!« »Versuch nicht, mich mit dem kleinen Einmaleins der Wirklichkeit abzuspeisen. Schau lieber nach, was er mit mir vorhat!« Ich gab den Suchbefehl ein. Unter Tonnda und allen Variationen mit Vornamen und Adelstitel fand die Maschine nichts, unter Dschejdschej nichts, unter Malibu nichts. »Das kann nicht sein, er muss mich drin haben, ich wäre sonst mit ziemlicher Sicherheit nicht hier, sondern läge im Hotel in Falling im Bett! Such unter Verrat !« Doch auch für diesen Titel gab es nicht einmal Verweise. Unter dem Kosenamen Erfinder , mit dem Reeper ihn früher zu Zeiten des Großen Kampfes gegen die Industrien der Virtualität anzureden pflegte, entdeckten wir endlich jenes Dokument, das uns nach seiner Öffnung einen seltsamen Kampf vorspielte, einen, den es vielleicht nie oder zumindest noch nicht gegeben hatte, oder der längst vorbei war, ohne dass Dschejdschej sich an ihn erinnern konnte. Das Dokument war nicht datiert: Am Seeufer, nahe dem Steg, wartete Jatsu Tsin. Es war früher Abend, die Sonne schon hinter den Wipfeln, und der Schatten des Waldes deckte als matter Streifen das Wasser, das zur Mitte des Sees hin noch etwas grünliches Licht vom Tag zurückbehielt. Tsin hatte sich nicht zwischen den Stämmen am Uferweg verborgen. Breitbeinig hatte er sich mitten auf den aufgeweichten Weg gestellt, bereit, seine Aufgabe ohne Zögern zu erfüllen. Man sah ihm an, dass er keine Fragen mit sich herumschleppte, ob es richtig sei, was er zu tun vorhatte, ob es eine andere Lösung geben könnte, ob er nicht längst zu alt sei, um noch Befehle entgegenzunehmen, ganz gleich von wem. Er hatte zu gehorchen gelernt, als er noch nicht laufen konnte, und der Gehorsam zog sich unbezweifelt durch sein Leben, nicht als Last, nein, es machte ihn glücklich, der Entscheidung eines anderen zum Erfolg zu verhelfen. Er wusste sehr wohl, dass er sich irren konnte. Befehle waren nicht immer so eindeutig, wie sie klangen. Man musste den eigentlichen Willen derer, die Befehle gaben, hinter den Worten herausfinden. Jatsu Tsin hatte diese Fertigkeit zur höchsten Reife entwickelt. Als in seinem Monitor in der Gipfelstation des Nakadake die Meldung ETERNITY INVADER. NO PERMIT aufgetaucht war, wusste er nicht nur, dass die Botschaft von Reeper kam. Er wusste, was Reeper von ihm verlangte. Dass er nicht nur irgendeine Art Unterstützung in einem bevorstehenden Streit brauchte. Nein, Reeper erwartete von ihm, dass er den Eindringling tötete. Tsin brauchte keinen Namen, es war ihm auch völlig gleich, wen er zu töten hatte. Er würde nach Falling kommen und den Verräter erkennen. Er würde ihn an seinem Blick erkennen, am Geruch, am falschen Gang. Einzig der Vulkan hätte ihn hindern können, der Nakadake, dessen Sprache er verstand und dessen Befehle er über alle anderen stellte. Aber der Nakadake hatte geschwiegen.
    Als Sir Dschejdschej sich selbst aus der Richtung des Dorfes den Weg entlangkommen sah, als er sah, wie Jatsu Tsin langsam sein Kurzschwert Kleine Heimat unter der Jacke hervorzog, als er sich selbst zögern sah auf dem Weg, stehenbleiben, und wie dort nun beide standen, die Greise, zehn Schritte voneinander entfernt – da beugte er sich über meine Schulter und schlug auf die Stilltaste; das Bild fror ein. »Wir müssen uns hier trennen, mein Freund«, sagte er leise, »ich hätte dich gern noch begleitet. Ich habe gefürchtet, dass es so ausgeht. Vergiss nicht, die Statik der Pyramide zu verzerren, es ist vielleicht der einzige Weg. Teile ihre Bilder, tausche sie aus! Ich bin sicher, du knackst den innersten Stein, wenn du das Gefüge der andern
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